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Aufnahme der Mumbai Maersk

Quelle: Havariekommando

Teil 1: FAQ Strandung „Mumbai Maersk“

  • Die „Mumbai Maersk“ ist am 2. Februar 2022, 23:05 Uhr festgekommen und wurde am 4. Februar 2022, 1:06 Uhr erfolgreich freigeschleppt.
  • Die „Mumbai Maersk“ ist ein ULCV (Ultra Large Container Vessel) mit einer Länge von 399 m, einer Breite von 58 m, einer Tragfähigkeit von 210.000 t und einer Staukapazität von 20.568 TEU (Twenty Foot Equivalent Unit). Der Tiefgang zum Zeitpunkt der Strandung betrug 13 m.
  • Die „Mumbai Maersk“ hatte 7.318 Container (20 Fuß und 40 Fuß, insgesamt 12.985 TEU) geladen.
  • Ab 20:30 Uhr war das Schiff mit einem Lotsen besetzt, ab 21.45 Uhr in der Weser-Radarberatung.
  • Zur Unglückszeit herrschte moderater Wind (Beaufort 4-5) aus Südwest. Die See betrug 2-3 m mit abnehmender Tendenz.
  • Position der „Mumbai Maersk“ zum Zeitpunkt der Strandung: 53o51.133‘ N o 007o53.649‘ E

Die „Mumbai Maersk“ befand sich auf der Fahrt von Rotterdam nach Bremerhaven. Gemäß den von den Niederlanden und Deutschland herausgegebenen Empfehlungen benutzte sie das küstenferne Verkehrstrennungsgebiet (VTG) German Bight Western Approach und näherte sich der Küste auf den vorgeschriebenen Wegen, um Bremerhaven anzulaufen. VTGs sind quasi die Autobahnen der Meere und werden in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) von der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) festgelegt.

Karte zu Fahrtverlauf der Mumbai Maersk
Abbildung 1: Fahrtverlauf der Mumbai Maersk

Quelle: BMDV

Der Unfall selbst geschah nicht im VTG German Bight Western Approach, sondern in dem zur Ansteuerung von Bremerhaven zu nutzenden Fahrwasser: Die Bereitstellung des vorgesehenen Liegeplatzes in Bremerhaven verzögerte sich und auf der Weser herrschen Begegnungsrestriktionen. Daher entschloss sich der Kapitän im Einvernehmen mit dem Lotsen, dem Radarlotsen und der Verkehrszentrale, den Kurs wieder in Richtung See zu ändern, um später, nach Freiwerden des Liegeplatzes, wieder in direkter Fahrt nach Bremerhaven zu gehen. Nachdem er die Freigabe des Liegeplatzes bekam, drehte er wieder auf den Gegenkurs in Richtung Bremerhaven. Hierbei geriet die „Mumbai Maersk“ außerhalb des Fahrwassers auf Grund.

Abschließende Aussagen zur Unfallursache können erst getroffen werden, wenn das Ergebnis der unabhängigen Seesicherheitsuntersuchung vorliegt. Diese Untersuchung zielt darauf ab, das Unfallgeschehen umfassend zu untersuchen, um die Unfallursachen festzustellen. Sie ist in allen europäischen Mitgliedstaaten verpflichtend vorgeschrieben.

In Deutschland ist für die Seesicherheitsuntersuchung die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg zuständig, die auch im Fall der „Mumbai Maersk“ unmittelbar nach dem Unfall ihre Untersuchungstätigkeit aufgenommen hat. Die Untersuchung schließt mit einem Untersuchungsbericht ab, der innerhalb von 12 Monaten nach dem Unfall veröffentlicht wird. Ist dieses nicht möglich, erstellt die BSU einen Zwischenbericht. In der Regel gibt die BSU auch Sicherheitsempfehlungen heraus, die darauf abzielen, gleichgelagerte Unfälle künftig zu vermeiden.

Das Havariekommando ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer. Es gewährleistet bei Unfällen in der Nord- und Ostsee ein koordiniertes und gemeinsames Unfallmanagement.

Das Havariekommando hat im Fall der gestrandeten Mumbai Maersk am 3. Februar 2022 um 01.30 Uhr die Gesamteinsatzleitung übernommen und sofort staatlich vorgehaltene Notschlepper zum Havaristen geschickt, um bei dem aktuellen Hochwasserstand einen ersten Freischleppversuch zu starten. Dieser war im Ergebnis jedoch nicht erfolgreich, weil der Wasserstand bereits fiel. Damit war nicht genug Schleppkraft vorhanden, um die Reibungskräfte aufzuheben.

Die Reederei Maersk hat nach dem Abbruch des Schleppversuchs die niederländische Firma „Smit Salvage“ mit der Bergung beauftragt. Dies ist die ganz übliche Verfahrensweise: Ein Havarist beordert ein Bergungsunternehmen, die Bergung erfolgt dann auf eigene Kosten des Havaristen und in enger Abstimmung mit dem Havariekommando. Nach Absprache zwischen dem Havariekommando, dem Berger und dem Reeder wurde die „Mumbai Maersk“ mit dem Nachthochwasser am 4. Februar 2022 in gemeinsamer Anstrengung mit privaten und staatlichen Schleppern freigeschleppt und setzte ihre Fahrt nach Bremerhaven fort.

Während der ganzen Zeit wurde die Struktur des Schiffes kontrolliert, um eventuelle Schäden festzustellen und Beeinträchtigungen der Umwelt auszuschließen.

Nein – denn Havarie ist nicht gleich Havarie. Jeder Unfall hat unterschiedliche Ursachen und verläuft unterschiedlich.

Bei den beiden Vorfällen „MSC Zoe“ und „Mumbai Maersk“ handelt es sich um völlig unterschiedliche Sachverhalte, die nicht miteinander zu vergleichen sind. Im Fall der „MSC Zoe“ handelt es sich um einen Ladungsverlust bei schlechtem Wetter. Die „Mumbai Maersk“ hat unter moderaten Wetterbedingungen ein Revier angesteuert und ist auf Grund gekommen. Die Unfallfolgen wurden völlig unterschiedlich abgearbeitet. Bei der „MSC Zoe“ mussten beispielsweise weder Notschlepper noch ein TAT (Towing Assistance Team) zum Einsatz kommen.

Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung hat zum Unfallhergang bei der „MSC Zoe“ einen abschließenden Untersuchungsbericht veröffentlicht.

Teil 2: Weitere Fragen aus dem Themengebiet „(Verkehrs-)Sicherheit großer Containerschiffe“

Es ist zu unterscheiden, ob es sich dabei um internationale Gewässer (wie die Ausschließlichen Wirtschaftszone, kurz AWZ) oder um das Küstenmeer handelt.

Fahrzeuge, die das Küstenmeer und damit das deutsche Hoheitsgebiet befahren, genießen nach Art. 17 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) das Recht der friedlichen Durchfahrt. Der Küstenstaat kann gemäß Artikel 22 SRÜ, wo es die Sicherheit der Schifffahrt erfordert, bestimmte Schifffahrtswege zur Ausübung des Rechts der friedlichen Durchfahrt unter bestimmten Bedingungen vorschreiben, jedoch die Durchfahrt nicht verbieten.

In der AWZ ist die Freiheit der Schifffahrt (Art. 87 Absatz 1 Buchst. a) i.V.m. Art. 58 Abs. 1 SRÜ) zu beachten. Verkehrswegeführungsmaßnahmen sind dort ausschließlich über die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) möglich.

Vor der deutschen Küste, in der deutschen Bucht befinden sich im Wesentlichen zwei Verkehrstrennungsgebiete (VTG): Terschelling – German Bight und German Bight Western Approach. Das erstere VTG befindet sich zu etwa zur Hälfte (ostgehende Fahrspur) im Küstenmeer, die andere Hälfte (westgehende Fahrspur) sowie das gesamte zweitere VTG befinden sich in der AWZ. Beide VTG sind bei der IMO notifiziert, für das küstenferne Verkehrstrennungsgebiet besteht darüber hinaus die notifizierte Vorgabe, dass bestimmte Fahrzeuge (Tanker) diese Route zu nutzen haben. National ist dies in der Anlaufbedingungsverordnung umgesetzt.

Das BMDV hat bereits viele Maßnahmen veranlasst, um die Verkehrssicherheit und die Schiffssicherheit zu fördern. Für die Verkehrssicherheit bestehen Verkehrswegeführungsmaßnahmen, die Maritime Verkehrssicherung durch die Verkehrszentralen einschl. der Herausgabe von Verkehrsinformationen und -warnungen, die Vorhaltung der Lotsdienste, die Vorhaltung von Schifffahrtszeichen und einiges mehr.

Ferner arbeitet das BMDV kontinuierlich an der Erhöhung der Schiffs- und Verkehrssicherheit. Das BMDV hat bereits verschiedene Initiativen gestartet, um auf die Herausforderungen, die sich aus dem Größenzuwachs bei Containerschiffen ergeben, zu reagieren:

  • Seit November 2019 sendet die niederländische Küstenwache eine empfehlende Warnmeldung für den ost-gehenden Verkehr in der Nordsee aus. Seit 2020 sendet auch Deutschland richtungsunabhängig empfehlende nautische Warnmeldungen für die Nordsee aus. Der Inhalt der Meldung besteht einerseits aus der allgemeinen Empfehlung, Maßnahmen zu treffen, um ein Überbordgehen von Containern zu verhindern (z.B. durch Kursänderung). Andererseits enthält sie die Empfehlung für größere Containerschiffe, das küstenfernere Verkehrstrennungsgebiet zu nutzen, da dort größere Wassertiefen vorherrschen und somit das Risiko von negativen, flachwasserbedingten Effekten auf das Verhalten des Schiffes geringer ist. Zudem werden die betroffenen Schiffe nach Möglichkeit auch direkt von den Verkehrszentralen auf deutscher und niederländischer Seite per UKW-Funk angesprochen.
  • Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist bestätigt. Denn Auswertungen von Verkehrsdaten haben bereits entsprechende Verkehrsverlagerungen gezeigt. Die Aussendung der nautischen Warnmeldungen soll deshalb künftig als Hinweis in die textliche Beschreibung der Verkehrstrennungsgebiete und somit in die an Bord befindlichen nautischen Publikationen (Seekarten, Handbücher) aufgenommen werden. Dazu erarbeitet Deutschland in einer trilateralen Arbeitsgruppe unter der Leitung der Niederlande und zusammen mit Dänemark einen Vorschlag, der 2021 in die IMO eingebracht wurde.

Das BMDV setzt sich aktiv für die Anpassung der internationalen Sicherheitsvorschriften für Containerschiffe ein. Das gilt zum Beispiel in den Bereichen Ladungssicherung und Brandschutz. Hier ist das BMDV an großangelegten Studien beteiligt ("TopTier Joint Industry Project (JIP)"), die den Nutzen und die Notwendigkeit etwaiger Überarbeitungsvorschläge wissenschaftlich belegen sollen.

Damit steigen die Erfolgschancen für eine Umsetzung bei der IMO entscheidend.

Deutschland hat sich auf internationaler Ebene aktiv für die Festlegung von Intakt-Stabilitätsrichtlinien der zweiten Generation eingesetzt (derzeit international in Erprobung). Mit den Intaktstabilitätskriterien der zweiten Generation werden die Schiffsbewegungen, das Seegangsverhalten und die Versagensfälle von intakten Schiffen (= ohne Leck) mithilfe von dynamischen Berechnungen neu beurteilt.

Deutschland setzt sich auf internationaler Ebene mit Nachdruck für die verpflichtende Ausrüstung von Containerschiffen mit elektronischen Inklinometern ein. Das Inklinometer ist ein elektronisches Messgerät zur Bestimmung des Rollwinkels und dessen Protokollierung. Es zeigt die wahre Schiffsneigung und Rollperiode an, so dass rechtzeitig auf gefährliche Bewegungsmuster des Schiffes reagiert werden kann.

Ziel und Aufgabe der staatlich vorgehaltenen sog. „Notschlepper“ ist es, einen Havaristen in einer akuten Notsituation durch eine Schleppverbindung zu stabilisieren, vor dem Stranden zu bewahren und unter Landschutz zu bringen. Sobald das erreicht ist, endet die staatliche Aufgabe des „Notschleppens“, denn anschließend übernimmt ein privat beauftragter Berger das Schiff und bringt es in einen Hafen.

Die Bemessung der Notschlepper und deren Positionierung in der Deutschen Bucht beruht auf dem evaluierten Notschleppkonzept, das im Februar 2020 vom BMDV eingeführt wurde. In der Nordsee stehen 3 Notschlepper und in der Ostsee 4 Notschlepper zur Verfügung. Das Notschleppkonzept sieht im Kern vor, dass jede Position in den deutschen Gewässern, auf der ein erhöhtes Schadenseintrittsrisiko besteht, innerhalb von 2 Stunden von einem der in diesem Seegebiet stationierten Notschlepper erreicht werden muss. Diese Vorgabe erfüllen wir zurzeit. Fällt einmal ein Notschlepper aus, dann stehen Ersatzschlepper stets planbar zur Verfügung. So war dies auch im Fall der Havarie der Mumbai Maersk: Hier waren planmäßig die Bugsier 30 und die Bugsier 9 in sog. Ersatzgestellung für die normalerweise im Einsatz befindliche „Nordic“ im Einsatz.

Das Notschleppkonzept basiert auf einer Gefährdungsanalyse. Die Analyse hat sowohl die Quantität der Verkehrsströme in Nord- und Ostsee als auch die Schiffstypen und deren Größe betrachtet. Denn verschiedene Schiffstypen stellen unterschiedliche Anforderungen an das Notschleppen und bergen dazu auch unterschiedliche Schadenseintrittsrisiken.

Nein, eine generelle Ausrüstungspflicht von Containern mit Peilsendern wird sowohl aus Brandschutz-, als auch aus diversen technischen und wirtschaftlichen Gründen als nicht machbar angesehen. Ziel des BMDV ist es stattdessen, die Ursachen des Containerverlusts (Schiffsstabilität, Ladungssicherung) zu verstehen und zu beseitigen.

Darüber hinaus werden derzeit bei den zuständigen Unterausschüssen der IMO mögliche Maßnahmen hinsichtlich des Erkennens und des verpflichtenden Meldens überbordgegangener Container zur Verbesserung der Lokalisierung, Verfolgung und Bergung, mit der Unterstützung Deutschlands, verhandelt.

Der Bund betreibt (durch die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung) als Notfallvorsorge für Schadstoffunfälle auf See vier hochkomplexe Mehrzweckschiffe und zwei Hilfsschiffe. Jedes dieser Einsatzmittel ist mit Gasschutzsystemen ausgestattet. Dadurch sind sie mit ihren gut ausgebildeten Besatzungen in der Lage, bei Gefahrgutunfällen auf See sowohl in explosiven, als auch toxischen Atmosphären zu operieren. Diese Schiffe werden eingesetzt zum Aufspüren und zur Bergung von Gefahrgutbehältern, Ölverschmutzungen und Chemikalien, die im Wasser treiben. Darüber hinaus sind sie in der Lage, Schiffsbrände zu bekämpfen sowie manövrierunfähige Schiffe zu schleppen und von der Küste fern zu halten.

Die Bundesregierung investiert aktuell mehr als 600 Millionen Euro, um vier dieser Schiffe (drei Mehrzweckschiffe und ein Hilfsschiff) durch hochwertige Einsatzmittel mit neuester Technik zu ersetzen. Damit reagiert das BMDV auf Entwicklungen in der Seeschifffahrt, die Veränderungen auf See durch den Bau von Offshore Windparks und die Häufung von Schlechtwetterlagen.