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Data Science Projekt öffnet neue Dimensionen von kleinräumigen Mobilitätsdaten

Ein zentrales Hindernis bei der zielgenauen Planung von Verkehrsinfrastruktur und von Mobilitätsangeboten ist das Fehlen geeigneter Daten zur Verkehrsnachfrage in einer kleinräumigen Auflösung: Wie viele Personen sind in Deutschland von A nach B unterwegs? Wie ist die Erreichbarkeit auf diesen Relationen? Wie viele Personen halten sich wann wo auf? Die empirische Datenlage hierzu gleicht einem Dunkelfeld. Das Forschungsprojekt „VerBindungen“ stößt hier eine Tür zu neuen Dimensionen kleinräumiger Verkehrsnachfragedaten auf: Es erschließt neue digitale Daten (z.B. Mobilfunk-, kleinräumige Pendlerdaten), führt diese anonymisiert mit neuen Methoden der Data Science mit Daten der amtlichen Statistik zusammen und macht Unterschiede der Erreichbarkeit für die nachgefragten Verbindungen sichtbar.

Verkehrsplanung benötigt kleinräumige Verkehrsnachfragedaten

Um die Verkehrsinfrastruktur zielgenau weiterentwickeln zu können, ist es erforderlich, das Mobilitätsverhalten und die daraus resultierende Verkehrsnachfrage möglichst präzise zu analysieren. Die zunehmenden Unterschiede in den Entwicklungen der Mobilität zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb der Städte und der ländlichen Räume stellen dabei eine besondere Herausforderung dar.

Ein zentrales Hindernis in der Mobilitätsforschung und bei der zielgenauen Planung von Verkehrsinfrastruktur und von Mobilitätsangeboten ist jedoch das Fehlen geeigneter Daten zur Verkehrsnachfrage in einer kleinräumigen Auflösung: Wie viele Personen sind von A nach B unterwegs und welche Verkehrsmittel nutzen sie hierbei? Die wichtigsten Kennwerte zur Alltagsmobilität hierzu werden bisher aus Befragungen abgeleitet. Selbst mit der weltweit größten Erhebung zur Alltagsmobilität „Mobilität in Deutschland“ mit mehr als 300.000 teilnehmenden Personen, lässt sich die Verkehrsnachfrage jedoch nicht auf kleinräumiger Ebene ermitteln, sondern nur für siedlungsstrukturelle Raumtypen, z.B. städtische oder ländliche Regionen: die Anzahl der Befragten ist zu gering.

Die Verkehrsplanung schließt diese Lücke auf Basis von Datenmodellen. Die im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung verwendeten Datenmodelle operierten in der Vergangenheit aufgrund der Datenlage nur auf der räumlichen Ebene der rd. 400 Kreise und kreisfreien Städte. Die Modelle hierfür haben sich im Hinblick auf die bisherigen Anforderungen bewährt. Sie beinhalten aber größere Unsicherheiten, wenn eine höhere räumliche Auflösung erreicht werden soll. Dies wird zukünftig immer häufiger erforderlich, weil diese Verkehrszellenstruktur für viele Fragen der Verkehrsplanung zu grobkörnig ist.

Datenlage und Datenmodelle verbessern

Im Zeitalter der Digitalisierung drängt sich für eine detailliertere Betrachtung die Nutzung von Floating Car Data (FCD) und Mobilfunkdaten auf. Denn auch nach zuverlässiger Anonymisierung lassen sich für kleinräumige Gebiete typische Mobilitätsstrukturen herleiten. Aber für repräsentative Rückschlüsse auf Niveau und Struktur der Mobilität erreichen diese alleine nicht die erforderliche Qualität. Denn die Daten sind aufgrund der spezifischen Kunden- und Datenstruktur "schief" – also nicht repräsentativ. So sind z. B. kurze Wege bei Mobilfunkdaten untererfasst, denn diese werden in einer Funkzelle nicht präzise abgebildet. Die zur Verfügung stehenden Kfz-Navigationsdaten hingegen decken definitionsgemäß nur den Ausschnitt der Kfz ab.

Hier setzt das Forschungsprojekt „VerBindungen“ an. Ziel des BMDV ist es,

  • neue digitale Daten an repräsentativen Daten zu eichen und somit deren Potenziale auszuschöpfen und
  • diese mit neuen Methoden der Data Science miteinander so zu verknüpfen, um die Aussagekraft der Datenmodelle bei kleinräumiger Auflösung systematisch und nachhaltig zu verbessern (=Multi-Source-Modelle).

Das Projekt „VerBindungen“ bildet hierzu mit seiner Grundlagenforschung - insbesondere zur Eichung und damit Inwertsetzung von Mobilfunkdaten - einen wichtigen Meilenstein. Im Projekt werden:

  • erstmals in der Bundesagentur für Arbeit (BA) Pendlerdaten der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten systematisch kleinräumig aufbereitet und unter Einhaltung des Datenschutzes unterhalb der Stadt- und Gemeindeebene für Dritte verfügbar gemacht. Bisher gelten als Pendler nur diejenigen, deren Arbeits- und Wohnort in unterschiedlichen Gemeinden liegen. Nach dieser Operationalisierung gab es 2019 in Deutschland rd. 20,2 Mio. Pendler. Betrachtet man jedoch die Beschäftigten, deren Arbeits- und Wohnort in unterschiedlichen geografischen Gitterzellen in der Auflösung von 100 m x 100 m liegen, gibt es mehr als 33 Mio. Pendler. Am Beispiel Berlin ist der Unterschiedsfaktor noch größer. Nach bisheriger Statistik pendeln rd. 350.000 Beschäftige in die Stadt ein. Die rd. 1,3 Mio. innergemeindlichen Pendler mit Wohn- und Arbeitsort in Berlin waren bisher in Statistiken zu Pendeldistanzen auf Basis der Daten der BA nicht enthalten. Aber auch bei kleineren Städten werden neben den Einpendlern jetzt auch die innerstädtischen Pendler und deren Pendelstrecken räumlich verortbar (siehe Abbildung).
  • Mobilfunkdaten (Teralytics / Telefonica), Floating-Car-Data (ADAC), Beschäftigtendaten der BA sowie Mikrodaten der amtlichen Statistik (Zensus, Mikrozensus, Steuerstatistik, …) und der BMDV-Erhebungen mit neuen Methoden der Data Science mit dem Ziel verknüpft, dass bundesweit erstmals kleinräumige

    • Quelle-Ziel-Verkehrsverflechtungen der Beschäftigten
    • Quelle-Ziel-Verkehrsverflechtungen der Gesamtbevölkerung
    • Kennwerte der kleinräumigen Aufenthaltsbevölkerung zu unterschiedlichen Tageszeiten
      ermittelt werden können.

Arbeitsort Berlin - kumulierte Pendeldistanzen der Beschäftigten

Forschungsprojekt "VerBindungen"

Quelle: BMDV Forschungsprojekt "VerBindungen" - Datengrundlage und Analysen der Bundesagentur für Arbeit

Passgenauere Erreichbarkeitsanalysen ermöglichen

In einem weiteren Baustein werden die Verkehrsverflechtungen genutzt, um erstmals bundesweit kleinräumig die Erreichbarkeit des ÖV und des MIV gespiegelt an der tatsächlichen Verkehrsnachfrage zu analysieren. Die Vorgehensweise zur Herleitung der Fahrzeiten eröffnet neue Möglichkeiten, die Passgenauigkeit der Verkehrsinfrastruktur zu bewerten. Die Verkehrsströme und die Erreichbarkeiten sollen kartografisch in einem Online-Tool visualisiert werden.

Auftragnehmende und Laufzeit

Organisiert ist das Projekt als Forschungskooperation von Destatis, der Bundesagentur für Arbeit, Teralytics (Mobilfunkdaten von Telefonica), der Bergischen Universität Wuppertal, IT NRW (Statistisches Landesamt) und den Professoren Ralf Münnich (Uni Trier) und Timo Schmid (Otto-Friedrich-Universität Bamberg) als Data Science Experten. Finanziert wird das Projekt im Rahmen des Ressortforschungsprogramms des BMDV.

Das Forschungsprojekt hat eine Laufzeit von Januar 2021 bis Ende 2023.