
Quelle: Bundesregierung / Jesco Denzel
In der digitalen Welt ist es wichtiger denn je, klare Regeln zu haben, um Desinformation zu verhindern und die Meinungsfreiheit zu schützen. Der Digitale-Services-Act (DSA) ist ein großer Schritt in diese Richtung – es geht nicht nur um Regulierung, sondern auch „um die Verteidigung unserer fundamentalen Werte“, betont Bundesdigitalminister Volker Wissing im Interview mit dem RBB Inforadio.
Moderator: Der Bundestagswahlkampf läuft. Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Wahl durch Internet-Plattformen und Fake-News dort beeinflusst wird?
Es ist nicht Aufgabe von Bundesministern, sich nur Sorgen zu machen, sondern wir haben Vorkehrungen getroffen. Zum einen haben wir auf europäischer Ebene den Digital Services Act, der eine strenge Plattformaufsicht vorsieht und auch Eingriffsmöglichkeiten vorsieht. Zum anderen müssen wir natürlich auch wachsam sein und in engem Austausch mit den Plattformbetreibern darauf hinwirken, dass die Regeln eingehalten werden und verbotene Inhalte gelöscht werden.
Moderator: Dann gehen wir mal von dem Begriff „Sorge“ weg, wenn Sie sich nicht sorgen wollen. Sehen Sie denn, dass die Gefahr oder der Versuch der Beeinflussung da wächst?
Dieses Risiko sehen wir und haben deswegen auch gehandelt und entsprechende Regulierung auf den Weg gebracht. Der Digital Services Act ist ein scharfes Schwert, und wir stehen als Bundesregierung auch in engem Austausch mit der zuständigen EU-Kommissarin Henna Virkkunen, die angekündigt hat, das Personal zu verdoppeln zur Aufsicht der Plattformen. Die EU-Kommission selbst ist für die großen Plattformen nach der europäischen Regulierung zuständig.
Moderator: Wie gut funktioniert die Umsetzung dieses EU-Gesetzes? Dieser Digital Services Act verbietet ja unter anderem die Manipulation von Algorithmen, also dass bestimmte Inhalte dann eben verstärkt angezeigt werden.
Das ist richtig, und deswegen ist es wichtig, dass hier ganz genau hingeschaut wird. Das tut die EU-Kommission auch. Sie prüft die Algorithmen. Und natürlich müssen wir unsere Bürgerinnen und Bürger davor schützen, dass Falschinformationen, manipulierte Informationen unterwegs sind. Unsere Demokratie lebt vom ehrlichen und transparenten Austausch von Argumenten in einer freien Gesellschaft, aber nicht von der Manipulation freier Bürger, um Wahlergebnisse in eine bestimmte Richtung zu drängen.
Moderator: Herr Wissing, noch mal ganz konkret: Es gibt den Verdacht, dass Elon Musk den Algorithmus von X manipuliert, um extremen Stimmen mehr Gehör zu verschaffen. Kann die Europäische Union dagegen effektiv vorgehen? Tut sie das mit dieser Gesetzgebung?
Ich habe persönlich mit der Kommissarin Virkkunen einen intensiven Austausch zu diesen Fragen im Dezember gehabt, und sie ist sehr entschlossen. Sie hat die Aufstockung von Personal angekündigt, sie schaut genau hin. Und derzeit wird ja auch ein Verfahren gegen die Plattform X wegen möglicher DAS-Verstöße geführt. Wir müssen jetzt genauer hinschauen. Sie wird genau prüfen, und am Ende wird man sehen, ob wir mit der Regulierung einen ausreichenden Rechtsrahmen geschaffen haben. Gegebenenfalls muss man nachsteuern. Aber jetzt muss man auch Vertrauen haben in die geschaffenen Rechtsvorschriften und auch in die zuständigen Behörden, die jetzt prüfen.
Moderator: Ich hätte gern Ihre Einschätzung von Ihnen. Elon Musk, US-Milliardär und Eigentümer von X, darüber haben wir gerade schon geredet, hat sich zuletzt massiv in den deutschen Wahlkampf eingemischt. Er hat deutsche Politiker beschimpft von Kanzler bis Bundespräsident und hat online ein langes Gespräch mit Alice Weidel von der in Teilen rechtsextremen AfD geführt und zur Wahl der Partei aufgerufen. Ist das freie Rede, wie Musk es behauptet? Ist es Beeinflussung? Ist es Manipulation? Wo würden Sie da ansetzen?
Die Meinungsfreiheit ist für uns ein hohes Gut in unserer Demokratie. Und selbstverständlich darf man auch vom Ausland her eine Meinung äußern und auch Wünsche äußern zum Wahlausgang. Wir tun das ja in Bezug auf die USA auch, viele in Deutschland haben das getan im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten von Amerika. Aber klar ist auch, dass man den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen muss, dass dahinter natürlich auch Interessen stehen und man solche Äußerungen gewichten muss. Herr Musk verfolgt sicherlich eigene wirtschaftliche Interessen, die nicht mit den Interessen unseres Landes gleich identisch sein müssen.
Moderator: Die EU liegt gerade im Streit mit den Tech-Konzernen wegen dieses Gesetzes, des Digital Services Act. Wir haben gerade schon darüber gesprochen. Jetzt sieht es so aus, als bekämen Elon Musk, Mark Zuckerberg, der Meta-Chef, und andere Rückendeckung von US-Präsident Trump, also wenn es darum geht, „freie Rede“ wie sie es nennen, durchzusetzen. Kann die EU da standhaft bleiben?
Die EU muss standhaft bleiben. Es geht letztlich um die Verteidigung unserer fundamentalen Werte. Dafür haben wir den Digital Services Act geschaffen. Klar ist auch, dass wir diesen schmalen Grat zwischen Schutz vor Desinformation und Schutz der Meinungsfreiheit immer wieder neu justieren müssen. Aber das muss eine freie Gesellschaft in Transparenz leisten. Wir haben uns deswegen viel Mühe gemacht bei der Erarbeitung der europäischen Regulierung, wir haben starke Behörden, und jetzt geht es um die Verteidigung unserer Rechtsordnung.
Moderator: Und Herr Wissing, wenn Sie das Wort „Sorge“ nicht mögen, das habe ich gelernt, sehen Sie denn die Gefahr, dass Teile dieses Digital Services Act drohen, zerrieben zu werden als Teil eines möglichen Deals zwischen Trump und der EU, etwa über Importzölle?
Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft können nicht Gegenstand eines Deals sein, sondern sie müssen in Gänze verteidigt werden.
Moderator: Das sieht Herr Trump vielleicht anders.
Das mag sein, aber europäisches Recht machen wir und nicht Herr Trump.
Das Interview führte Christoph Kober und ist hier beim rbb24 Inforadio nachzuhören.