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Volker Wissing

Quelle: BMDV

Vor dem Hintergrund des US-amerikanischen KI-Infrastruktur-Projekts Stargate und der chinesischen KI-App DeepSeek sprach Volker Wissing im Deutschlandfunk-Interview über die Führungsrolle Deutschlands bei der Forschung und Entwicklung von vertrauenswürdiger Künstlicher Intelligenz. Dabei spielt der europäische AI Act eine zentrale Rolle: “Die Welt hat Vertrauen in die europäische Wertegemeinschaft, und deswegen ist es richtig gewesen, dass wir mit dem AI-Act eine Regulierung auf den Weg gebracht haben und führend dabei sind, Künstliche Intelligenz vertrauenswürdig und sicher zu machen”, so Wissing.

Moderator: Herr Wissing, Schockmeldungen für die USA, Aufruhr an den Märkten. Was zeigt Ihnen dieser DeepSeek-Moment?

Das zeigt uns, wie schnell Künstliche Intelligenz ausgerollt werden kann, wie schnell sie auch kostengünstiger werden kann. Und dass die KI-Maxime “Viel hilft viel” möglicherweise gar nicht mehr gültig ist.

Moderator: Worauf kommt es dann in diesem Rennen nun an?

Ganz offensichtlich um High Tech. Wer ist am besten im Bereich von Forschung und Entwicklung? Und die gute Nachricht ist: Gerade da sind wir in Deutschland besonders gut im Rennen.

Moderator: Ja, ist das wirklich so? Weil man hat nicht den Eindruck, dass Deutschland, dass Europa groß in diesem Rennen mitmachen würden.

Doch, denn wir haben sehr viele digitale Startups. Wir sind eines der führenden Länder im Bereich von Forschung und Entwicklung von KI. Die Stärke, die die USA haben, ist vor allen Dingen, dass sie sehr viel Risikokapital mobilisieren kann, um die Dinge schnell in den Markt zu bringen. Das ist der Vorteil der USA. Aber Forschung und Entwicklung, das können wir auch im Bereich von Künstlicher Intelligenz genauso. Und deswegen ist es wichtig, dass wir uns auf unsere Stärken besinnen, aber gleichzeitig auch uns mit der Frage beschäftigen: Wie können wir Risikokapital künftig stärker mobilisieren?

Moderator: Darüber will ich gleich auch sprechen. Und wie schätzen Sie die Lage in China ein? Weil das hat ja nun alle oder zumindest sehr, sehr viele in der breiten Masse zumindest überrascht.

Es war in der Tat überraschend. Aber klar war auch: China hat genauso wie andere auf der Welt erkannt, dass es ohne künstliche Intelligenz keine Wettbewerbsfähigkeit gibt. KI ist eine Schlüsseltechnologie und jetzt müssen wir uns auf unsere Stärken besinnen. Was wir können in Europa ist: Wir können den Vorteil ausspielen, dass unsere Künstliche Intelligenz vertrauenswürdig ist. Die Welt hat Vertrauen in die europäische Wertegemeinschaft, und deswegen ist es richtig gewesen, dass wir mit dem AI-Act eine Regulierung auf den Weg gebracht haben und führend dabei sind, Künstliche Intelligenz vertrauenswürdig und sicher zu machen.

Moderator: Warum vertrauenswürdig? Woran machen Sie das fest?

Nun, wenn ich nicht weiß, ob ich richtige Antworten bekomme, ob der Algorithmus manipuliert ist, dann ist die Zurückhaltung sehr groß, KI zu verwenden. Wenn aber klar ist, dass wir Zertifizierungen haben, dass wir Aufsicht haben, dass wir Regeln haben, die auch durchgesetzt werden in unserer Art, rechtsstaatlich vorzugehen, dann kann Künstliche Intelligenz made in Germany oder made in Europe ein Wettbewerbsvorteil sein.

Moderator: Aber bremsen diese Regeln, diese Regulation, nicht möglicherweise auch die Entwicklung gerade in einem Rennen? Wir haben es jetzt erlebt, was sich ja von heute auf morgen auch wieder ändern kann.

Genau hier verläuft das Spannungsfeld. “Viel hilft viel” ist nicht der richtige Ansatz für Regulierung. Aber präzise regulieren und dabei innovationsfreundlich bleiben, das genau ist die Kunst, die beherrscht werden muss, und daran müssen wir uns messen lassen. Ich habe deswegen immer wieder darauf hingewiesen, dass der AI Act, also die KI-Verordnung auf europäischer Ebene, innovationsfreundlich sein muss.

Moderator: Und wie soll das gelingen, wenn Sie darauf hinweisen?

Na ja, wir haben einiges durchgesetzt. Wenn man sich den ursprünglichen Entwurf anschaut und am Ende das, was verabschiedet worden ist, dann haben wir viel erreicht. Jetzt geht es darum, den AI Act in nationales Recht umzusetzen. Und dabei muss man wieder darauf achten, innovationsfreundlich vorzugehen, zu viel Bürokratie zu vermeiden, Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Wenn Sie sich vorstellen, ein Entwickler von KI möchte hier in Deutschland oder Europa etwas vorantreiben und ist dann mit ungeklärten Rechtsfragen konfrontiert, unbestimmten Rechtsbegriffen in der Regulierung konfrontiert, dann findet man sich ganz schnell in der Situation wieder, dass man das vorhandene Geld in Rechtsberatung investieren muss, anstatt die eigentliche technologische Entwicklung voranzutreiben. Und genau in diese Situation dürfen die Entwickler in Europa nicht geraten.

Moderator: Aber gehen diese Entwickler dann nicht doch direkt lieber in die USA, weil das, was man jetzt gesamtgesellschaftlich dort sieht, Sie sprechen von Regulierung, von Regulation, von Regeln hier in Europa, und sagen, das ist auch mitunter ein Markenzeichen. Aber wenn man die Töne aus den USA beispielsweise hört, Donald Trump wird eher Bürokratie abbauen, da kann man eher einfach machen.

Das ist richtig. Aber wir müssen eben unsere Stärke ausspielen. Denn vertrauenswürdige KI made in Germany, die kann man eben nicht in den USA voranbringen, sondern nur bei uns.

Moderator: Aber wenn die KI aus den USA oder vielleicht dann aus China, dann einfach viel mehr kann, was spricht denn dann für vertrauenswürdig, aber nicht so leistungsfähig?

Nein, das ist natürlich richtig. Aber leistungsfähig muss die KI aus Europa oder aus Deutschland auch sein. Und das ist sie auch. Sie muss spezifisch die Probleme unserer Gesellschaft lösen. Sie muss das Vertrauen der Menschen gewinnen. Ein mittelständischer Unternehmer, der von KI-Systemen – ich sage mal nur 2 von 10 Antworten als richtig erkennt und 8 falsche Antworten bekommt –, der wird so eine KI nicht einsetzen und deswegen ist es wichtig, dass wir für unseren eigenen Markt entwickeln. Und klar ist natürlich auch, dass damit Souveränitätsfragen verbunden sind. Die Europäische Union muss die Souveränitätsfragen jetzt mitdenken. Ohne Künstliche Intelligenz keine Wettbewerbsfähigkeit. Und wer das erkannt hat, darf nicht zulassen, dass wir nur Importeure dieser Technologie sind. Aber nochmal: Deutschland steht hier sehr gut da. Wir haben sehr viel in Forschung und Entwicklung investiert und jetzt müssen wir die Umsetzung eben auch hinkriegen. Wir tun das beispielsweise mit Mission KI durch die Errichtung von KI-Zentren bundesweit, mit denen wir helfen, KI schnell in den Markt zu bringen.

Moderator: Sie wollen heute auch ein weiteres Innovations- und Qualitätszentrum (IQZ) eröffnen und da die Bedeutung von KI vielleicht auch in der Breite der Bevölkerung deutlich zu machen. Sie haben es eben angesprochen, dass Sie die KI schnell in den Markt bringen wollen. Dazu braucht es eben aber auch Geld und die Investitionssummen oder die Summen generell in den USA, die sind einfach höher. Was kann Europa an dieser Stelle machen? Braucht es da eine Kapitalmarktunion in der EU oder was schwebt Ihnen vor?

Man müsste dringend die Kapitalmarktunion stärker voranbringen. Da hätte in den letzten Jahren auch mehr passieren dürfen. Außerdem müssen wir unser eigenes Steuerrecht auch stärker auf Risikokapital ausrichten. Auch da würde ich empfehlen, in der Finanzpolitik künftig einen Schwerpunkt zu setzen. Es ist nicht im Allgemeinen zu überlegen: Wie kann ich wen entlasten? Das ist immer auch schön, aber noch wichtiger ist es, dass wir Risikokapital mobilisieren, damit wir unsere Gesellschaft auf einen Wachstumspfad bringen, um gerade auch in diesem Technologiemarkt mit erfolgreich zu sein. Das wäre sehr hilfreich im finanzpolitischen Bereich.

Moderator: Was macht Sie zuversichtlich, dass das klappen könnte? Bisher, Sie haben es ja selbst gesagt, geschieht das nicht.

Es gibt ja seit Jahren Vorschläge, im Steuerrecht bestimmte Dinge zu vereinfachen, auch Anreize zu setzen, dass beispielsweise das Risiko, dass man beim Einsatz von Kapital zur Förderung neuer Technologien eingeht, dass das auch steuerlich stärker berücksichtigt wird. Das ist ein Punkt, den ich als dringlich ansehe in der Finanzpolitik. Und wie gesagt, hier muss was passieren. Das wird seit Jahren diskutiert und ich würde empfehlen, dass man auch künftig einen Schwerpunkt im finanzpolitischen Bereich setzt.

Das Interview führte Moritz Küpper und ist hier beim Deutschlandfunk nachzuhören.