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Dr. Volker Wissing

Quelle: Bundesregierung / Jesco Denzel

Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr der Bundesrepublik Deutschland (FDP), im Interview mit dem Automobilclub Mobil in Deutschland e.V. Der Bundesverkehrsminister stellt sich in der neuesten Ausgabe des Mobil in Deutschland-Magazins aktuellen Fragen rund um Mobilität, Auto und Verkehr.

Mobil in Deutschland e.V.: Was war Ihr erstes Auto?

Volker Wissing:

Das war ein lindgrüner Renault 5.

Welchen Stellenwert räumen Sie der Autoindustrie in Deutschland ein?

Die Automobilindustrie hat mit den gut 770.000 Menschen, die in dieser Branche samt Zulieferbetrieben arbeiten, eine herausragende Bedeutung für Deutschland. Klar ist aber auch: Die Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen. Dazu gehört – so schnell wie möglich – Wege zu finden, unsere Mobilität klimaneutral zu gestalten. Das zu meistern gelingt nur mit Mut, Kreativität und Leidenschaft sowie der Weitsicht und Innovationskraft unserer Wirtschaft. Wir sorgen dabei für gute Rahmenbedingungen. Dazu zählt auch, dass die Automobilindustrie nun die Möglichkeit behält, technologieoffen an Lösungen zu arbeiten.

Technologieoffenheit vs. einseitige Technologiefestlegung: Was ist der richtige Weg?

Niemand kann heute sagen, welche Technologien sich in Zukunft durchsetzen werden. Es wäre ein Fehler, sich auf eine bestimmte Anwendung festzulegen. Ich bin überzeugt, dass wir den Verkehr schneller dekarbonisieren können, wenn wir uns alle technologischen Möglichkeiten offenhalten. Wir brauchen einen Wettbewerb der besten Ideen und innovativsten Lösungen.

Elektromobilität, alternative Kraftstoffe und Wasserstoff gelten als die Antriebe der Zukunft. Ist das so?

Um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir einen Technologiemix. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein klares Sowohl-als-auch. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, zum Leitmarkt der Elektromobilität zu werden, und fördert etwa den Aufbau der Ladeinfrastruktur. Parallel ermöglichen wir die Zulassung alternativer, klimafreundlicher Kraftstoffe und bauen das Wasserstoff-Tankstellennetz aus.

Was halten Sie explizit von synthetischen Kraftstoffen, also E-Fuels?

E-Fuels bieten ein großes Potenzial zur Dekarbonisierung des Verkehrs und sind eine sinnvolle Ergänzung zu Elektromobilität und Wasserstoffantrieb. Wir können strombasierte Kraftstoffe in allen Verkehrsträgern nutzen – in der Luft- und Schifffahrt, aber auch im Straßenverkehr. Der Vorteil ist, dass wir so auch die CO2-Emissionen in der Bestandsflotte verringern können. Statt fossilen Kraftstoffen können einfach E-Fuels getankt werden. Daher unterstützen wir die Entwicklung und Produktion von strombasierten Kraftstoffen.

Dank Ihrer Initiative stehen E-Fuels überhaupt erst im Koalitionsvertrag und werden in der EU verhandelt. Dennoch hat man den Eindruck, dass die EU mit allen Mitteln neue Hürden aufbauen möchte. Ist das richtig?

Ich habe mich auf europäischer Ebene erfolgreich dafür eingesetzt, dass Fahrzeuge, die ausschließlich klimafreundliche E-Fuels tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden können. Mit der Europäischen Kommission gibt es darüber ein gemeinsames Verständnis. Aktuell diskutieren wir, wie das regulatorisch umgesetzt wird. Mir geht es dabei um eine pragmatische Lösung, um die Regulierung nicht zu verzögern. In einem ersten Schritt wird die Fahrzeugkategorie „E-Fuels-only“ geschaffen. In einem zweiten Schritt werden E-Fuels auf die CO2-Flottenzielwerte angerechnet. Ich bin zuversichtlich, dass wir noch in diesem Jahr zu einer Lösung kommen werden. München und andere Städte haben Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge erlassen, zum Teil völlig unverhältnismäßig.

Was halten Sie von solchen Diesel-Fahrverboten in Städten?

Die Schadstoffbelastung in den Städten hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verringert, weil moderne Fahrzeuge immer sauberer werden. Verbote sind grundsätzlich nicht der richtige Weg, um die Menschen von einer Sache zu überzeugen. Ich stehe für eine Verkehrspolitik, die Innovationen fördert und Anreize für klimafreundliche Mobilitätslösungen setzt.

HVO100 als non-fossiler Diesel wäre eine solche klimafreundliche Mobilitätslösung und dient zugleich dem Erhalt der Verbrenner. Was ist daran so wertvoll?

Mit HVO100 können wir die CO2-Emissionen im Verkehr kurzfristig senken. Es handelt sich um einen Biokraftstoff, der etwa aus Abfall- und Restölen hergestellt werden kann. HVO100 ist hochwertiger als konventioneller Diesel. Die Verbrennung läuft besonders effizient, wodurch die CO2-Emissionen um bis zu 95 Prozent reduziert werden können. Moderne Dieselmotoren sind grundsätzlich dafür geeignet. In vielen Ländern, etwa in den Niederlanden, Litauen oder Schweden, kann man diesen Kraftstoff bereits tanken. Ich setze mich dafür ein, dass HVO100 auch in Deutschland an jeder Tankstelle getankt werden kann.

Für wie sinnvoll halten Sie ein generelles Tempolimit auf unseren Autobahnen? Und bleiben Sie bei diesem Thema standhaft?

Ja. Wir wollen, dass Mobilität bezahlbar bleibt und dass gleichzeitig Energie eingespart wird. Wir haben uns dafür in der Koalition auf ein umfassendes und wirkungsvolles Maßnahmenpaket verständigt. Ein Tempolimit zählt nicht dazu.

Wie sieht für Sie die Mobilität der Zukunft in Deutschland aus?

Mobilität steht für Teilhabe und ist ein absolutes Schlüsselelement für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und für die Verwirklichung des eigenen Lebensentwurfes. Mobilität ist kein Luxus, sondern ein Grundbedürfnis. Mobilität ist nicht nur die Fahrt zur Arbeit, zum Einkaufen, sondern auch zu Freunden, zu kulturellen Veranstaltungen oder zu Freizeitaktivitäten. Individuelle Mobilität muss für jede und jeden bezahlbar bleiben. Ich will allen Menschen ein individuelles Mobilitätsangebot machen, das möglichst CO2-neutral ist.

Das Interview erschien bei Mobil in Deutschland e.V.