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Michael Theurer

Quelle: Bundesregierung/Steffen Kugler

Zunächst aber bringe die Sanierung des Bahnnetzes Einschränkungen mit sich, kündigt der Beauftragte des Bundes an.

Haben Strauss von der Rheinischen Post: Herr Theurer, zu Beginn mal etwas Positives – gibt es eine gute Nachricht, die Sie von der Bahn verkünden können?

Michael Theurer:

Da gibt es einiges: zum Beispiel einen historischen Rekord bei der Verkehrsleistung. Darunter verstehen wir, wie viele Kilometer die Reisenden pro Jahr zurücklegen. Mit 21,5 Milliarden Personenkilometern allein im ersten Halbjahrim Fernverkehr der Deutschen Bahn wurde ein Spitzenwert erreicht.

Mehr Menschen sind aber auch frustriert. Zugausfälle, Unpünktlichkeit – was kommt an Zumutungen im kommenden Jahr auf die Fahrgäste zu?

Das Schienennetz in Deutschland ist überaltert. Deswegen hat sich die Bundesregierung entschieden, massiv in eine Generalsanierung zu investieren. Wir starten 2024 mit der Sanierung der Hochleistungskorridore.
Der erste wird die Riedbahn sein zwischen Frankfurt und Mannheim unmittelbar nach der Fußball-Europameisterschaft. Im Jahr darauf folgen dann die Korridore Oberhausen–Emmerich und Hamburg–Spandau.

Was heißt das für die Fahrgäste?

Wenn man Hochleistungskorridore für fünf Monate aus dem Verkehr nimmt, dann ist das mit Umleitungen, Umweg-Verkehren und Einschränkungen verbunden. Deshalb setze ich als Schienenverkehrsbeauftragter alles daran, dass die Bahn, die Baufirmen und die Bundesländer sowie die Verkehrsverbünde einen attraktiven Schienenersatzverkehr anbieten und sich damit die Einschränkungen für die Reisenden möglichst in Grenzen halten.

Haben Sie Sorge, dass die Bahn durch die Sanierung Kunden verlieren wird?

Die für die Sanierung zwingend erforderliche Sperrzeit ist zum einen überschaubar und im Gegensatz zu den unzähligen ungeplanten Sperrungen aufgrund von Infrastrukturschäden auch planbar. Das ist ja der Vorteil der Generalsanierung. Und danach wird die Strecke dafür umso wettbewerbsfähiger.

Bahnfahren ist vergleichsweise teuer. Sind während der Sanierung die hohen Preise noch gerechtfertigt?

Für den Nahverkehr haben wir mit dem „Deutschlandticket“ ja eine günstige Tarifoption eingeführt. Im Fernverkehr wollen wir mit einem generalsanierten Netz und ausreichender Kapazität mehr Wettbewerb schaffen und dadurch für günstigere Tickets sorgen. Der Blick in andere Länder wie Italien oder Spanien zeigt ja, dass Wettbewerb zu mehr Qualität und sinkenden Preisen führt.

Wann wird die Bahn die Talsohle durchfahren haben?

Die Lage wird sich mit jedem einzelnen Korridor verbessern, denn im schlechten Zustand des Kernnetzes liegt ein Hauptgrund für dieVielzahl an Verspätungen. Klar ist aber auch: Für ein modernes und leistungsfähiges Schienennetz braucht es Geld und leider auch ein bisschen Zeit.
In der Vergangenheit blieb da einfach zu viel liegen, was wir nun aufholen müssen.

Geld und Zeit haben Sie?

Wir konnten in kürzester Zeit die Investitionsmittel bis 2027 auf über 80 Milliarden Euro fast verdoppeln und damit die Generalsanierung komplett abdecken. Dafür haben wir einen sehr konkreten Zeitplan. Bis 2030 werden wir dann die 40 wichtigsten Korridore unseres Netzes modernisiert und saniert haben und damit auf einem leistungsfähigen Schienennetz in Deutschland fahren. Spürbare Verbesserungen wird es aber schon mit der Sanierung der Riedbahn geben. Danach wird es Stück für Stück deutlich besser.

Welche Rolle spielt dabei ab dem kommenden Jahr die neue gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte Infrago der Bahn?

Das ist ein zentrales Projekt der Bundesregierung. Mit der Gründung der Infrago aus der DB Station & Service und der Infrastrukturtochter DB Netz werden wir Fehlanreize beseitigen und den Schwerpunkt wieder auf das Allgemeinwohl legen.

Stichwort „Deutschlandticket“ – wann kommt die erste Preiserhöhung?

Die Finanzierungsfrage wurde ja wieder ausführlich auf der Verkehrsministerkonferenz besprochen. Für uns ist die Beschlusslage mit der letzten Einigung zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten klar. Diese Regelung haben wir umgesetzt. Wenn daran etwas geändert werden soll, muss das auf dieser Ebene geklärt werden.

Die Länder fordern aber weiterhin mehr Mittel vom Bund wegen steigender Kosten.

Und die Mittel gibt es ja auch.Wir haben bereits einer erheblichen Erhöhung der Regionalisierungsmittel zugestimmt. Bis 2030 stehen hier 110 Milliarden Euro zur Verfügung. Bei elf Millionen verkaufter Tickets sollte man den Erfolg des„Deutschlandtickets“ auch nicht schlechtreden, wie einzelne Länder es tun. Im Gegenteil kommt es darauf an, weiter für das „Deutschlandticket“ zu werben und zusätzliche Kundinnen und Kunden dafür zu gewinnen.

Das Interview führte Hagen Strauss.

Quelle: Rheinische Post 16.10.2023