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Volker Wissing

Quelle: BMDV / Basti Wöhl

Ist der Konsum von Cannabis und Alkohol im Straßenverkehr strafrechtlich gleich zu behandeln? Mit dieser Frage beschäftigt sich unteranderem der 60. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar.

Herr Wissing, Sie haben kürzlich die Autobahn-Kampagne „Runter vom Gas" gestartet. Was verbirgt sich dahinter?

Wir wollen Einsatzkräfte schützen, also Straßenwärterinnen und Straßenwärter, Polizistinnen und Polizisten, Sanitäterinnen und Sanitäter. Sie alle nehmen auf den Straßen für uns wichtige Aufgaben wahr. Dabei sehen sie sich in Baustellen und Staus immer wieder gefährlichen Situationen ausgesetzt, weil man oft nicht mit angepasster Geschwindigkeit an ihnen vorbeifährt. Deswegen wollen wir darauf hinweisen, dass es um ein ganz wichtiges Thema geht: Menschen zu schützen, die für unsere Sicherheit da sind.

Konkrete, verbindliche Tempolimits sind damit nicht verbunden?

Nein, aber es ist ja klar, dass beim Vorbeifahren an Hilfskräften eine angepasste Geschwindigkeit erforderlich ist. Das ist zwingend geboten. Zu unserer Verkehrssicherheitskampagne gehören auch Videos von Betroffenen. Diese Berichte von Einsatzkräften machen sehr anschaulich, um was es hier geht: um den Schutz von Menschenleben.

Muss man dann nicht konsequenterweise auch über allgemeine Tempolimits auf Autobahnen, Landstraßen und auch innerorts nachdenken, um dort die Verkehrssicherheit zu erhöhen?

Mit dem Schutz von Hilfskräften hat das unmittelbar nichts zu tun. Wenn wir beispielsweise ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen hätten, wäre es trotzdem vollkommen unangebracht, in einer Gefahrensituation mit 130 an Hilfskräften vorbeizufahren. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen an vielen Baustellen liegen deutlich darunter, auch um die dort Arbeitenden zu schützen.

Aber wären allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht trotzdem ein Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit? Dies wird ja immer wieder von Gutachtern gefordert.

Verkehrssicherheit hat für uns oberste Priorität. An Strecken, an denen die Richtgeschwindigkeit nicht ausreichend Schutz bietet, gibt es in aller Regel heute schon Geschwindigkeitsbeschränkungen. Wir haben auf unseren Autobahnen, Landstraßen und auch innerorts viele Streckenabschnitte, auf denen ein Tempolimit gilt, damit die Sicherheitsanforderungen dort erfüllt werden.

Rasen gilt im Straßenverkehr als Unfallursache Nummer eins. Viele Leute scheinen sich also nicht an bestehende Limits zu halten. Reicht das Sanktionssystem in Deutschland noch aus?

Die Länder sind dafür zuständig, den Verkehr zu überwachen. Der Bund hat hier keine eigene Zuständigkeit. Wichtig ist natürlich, dass die Geschwindigkeitsbeschränkungen kontrolliert werden. Jeder Autofahrer ist verpflichtet, sein Fahrzeug nur mit der Geschwindigkeit zu fahren, die er auch sicher beherrscht. Wir haben in unserer Rechtsordnung eine ganze Reihe von wirksamen Sanktionen, mit denen wir darauf reagieren, wenn diese Regeln nicht eingehalten werden.

Diese Sanktionen, ob Bußgelder oder Fahrverbote, könnte aber doch nur der Bund verschärfen.

Der Bußgeldkatalog ist erst unlängst angepasst worden. Das wurde heftig in der Verkehrsministerkonferenz diskutiert, vor allem die Frage, ab wann ein Fahrverbot fällig werden soll. Da spielen viele Aspekte eine Rolle, insbesondere, dass viele Arbeitnehmer auf ihr Fahrzeug angewiesen sind. Entscheidend ist aber, dass konsequent kontrolliert wird, insbesondere an neuralgischen Punkten, wo Geschwindigkeitsbeschränkungen erforderlich sind, aber dort regelmäßig nicht eingehalten werden. Die Länder sind hier in der Verantwortung.

In den Innenstädten entwickeln sich E-Scooter durch rabiate Fahrer und wildes Abstellen immer mehr zum Ärgernis. Sind strengere Regeln für Elektro-Roller und ähnliche Gefährte erforderlich?

Auch hier gibt es Regeln. Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung regelt die Verwendung von E-Scootern auf öffentlichen Straßen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Regeln auch eingehalten werden. Es gibt immer wieder Probleme, weil die E-Scooter nicht richtig abgestellt werden und dadurch Fußgänger und den Radverkehr behindern. Hier sind vor allem auch die Anbieter von Elektrokleinstfahrzeugen in der Verantwortung – mit denen wir regelmäßig im Austausch sind. Sie haben zugesagt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und die Nutzer entsprechend zu sensibilisieren. Außerdem haben wir den Kommunen bereits ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben: Mit der StVO-Novelle haben wir für den Straßenraum ein Standardbild „Elektrokleinstfahrzeug" geschaffen. Damit ist es möglich, spezielle Parkflächen für Elektrokleinstfahrzeuge auszuweisen, auch in Kombination mit Fahrrädern. Es liegt an den Kommunen, diese Parkflächen auch tatsächlich einzurichten – und das Einhalten der geltenden Regeln zu überwachen.

Und auch hier die Frage: Reichen die derzeitigen Sanktionen bei Verstößen aus?

Das muss man kontinuierlich überprüfen. Das Hauptproblem scheint mir aber eher die Überwachungsdichte zu sein und nicht die Höhe der vorgesehenen Bußgelder.

Ihre Ampel-Regierung will den Konsum von Cannabis legalisieren. Welche Konsequenzen hat das für die Sicherheit im Straßenverkehr?

Fahren unter Einfluss von Tetrahydrocannabinol ist ja heute schon nicht erlaubt. Die Legalisierung von Cannabis heißt natürlich nicht, dass man unter Einfluss von Cannabis ein Auto steuern darf. Ein Fahrzeug darf man nur dann fahren, wenn man in der Lage ist, es vollständig zu beherrschen und nicht unter Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln steht.

Und wie stellt man das bei Kiffern fest?

Der Grenzwert für THC wird nicht durch uns festgelegt. Das ist Sache der Rechtsprechung. Als Verkehrsminister kann ich allen, die Cannabis konsumieren, nur dringend raten, sich verantwortungsbewusst zu verhalten und danach nicht am Straßenverkehr teilzunehmen. Denn sie gehen sonst ein erhebliches Risiko für sich und andere ein.

Das Definieren von „danach" ist allerdings schwierig, weil sich auch noch mehrere Tage nach dem Konsum THC-Rückstände im Blut nachweisen lassen. Die Kiffer-Lobby beklagt hier eine Ungerechtigkeit gegenüber Alkoholsündern.

THC ist ein anderer Wirkstoff als Alkohol. Insofern sind die Dinge nicht zu vergleichen. Die Verantwortung bleibt beim Konsumenten. Wer auf der sicheren Seite für sich und andere sein will, muss im Zweifelsfall sein Fahrzeug stehen lassen.

Was halten Sie von der immer wiederkehrenden Forderung, Fahrverbote und Führerscheinentzug nicht nur bei Verkehrssünden, sondern auch bei anderen Delikten wie Ladendiebstahl oder Körperverletzung zu verhängen?

Diese Diskussion wird schon seit 20 oder 30 Jahren geführt. Die Frage ist heftig umstritten. Ich bin als Verkehrsminister nicht dafür zuständig, hier eine Position der Bundesregierung zu äußern. Da müssten Sie den Justizminister fragen.

Und wenn ich Sie als ehemaligen Richter und Staatsanwalt frage?

Dann kann ich Ihnen sagen, dass ich kein begeisterter Anhänger dieser Idee bin.

Das Gespräch führte Peter Mlodoch.