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Quelle: Cornelia Thurau

Ich habe von 1992 bis 1998 Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Direkt im Anschluss absolvierte ich das technische Referendariat in der Fachrichtung Wasserwesen, und zwar bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes, die für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und die Regelung des Schiffsverkehrs zuständig ist. Den größten Teil der Ausbildung habe ich in Nordrhein-Westfalen verbracht, einzelne Abschnitte auch in anderen Bundesländern. Im Jahr 2000 habe ich das Referendariat als Assessorin abgeschlossen.

Wasserstraßen und Wasserwirtschaft

Nach meinem Referendariat übernahm ich bis Mitte 2001 die kommissarische Leitung des Sachbereichs 3 im Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Rheine. Der Sachbereich 3 eines Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts ist zuständig für alle Angelegenheiten Dritter an den Bundeswasserstraßen – z.B. die Erteilung von Bau- und Betriebsgenehmigungen, Veranstaltungen, Nutzungsverträge für private und öffentliche Nutzer – die Verkehrsregelung und -überwachung auf den Bundeswasserstraßen, den Betrieb der Schifffahrtsanlagen wie Schleusen, Hebewerke und Wehre, die Gewässerkunde und die Vermessungsaufgaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung. Bis Herbst 2001 war ich als Projektleiterin im Neubausachbereich des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Rheine für die Planung eines neuen Liegehafens im Stadtgebiet Münster am Dortmund-Ems-Kanal verantwortlich. Danach übernahm ich bis Ende 2003 die Leitung des Sachbereichs 3 im Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Köln und wurde stellvertretende Amtsleiterin. Ende 2003 schließlich wechselte ich in die damalige Wasserstraßen- und Schifffahrtsdirektion West, war dort bis Mitte 2006 Dezernentin für Verkehrsmanagement, Wasserstraßenüberwachung und bin seitdem Dezernentin für Bau und Unterhaltung Rhein.

Daneben bin ich als Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Arbeits- und Projektgruppen aktiv und habe seit 2004 die Ausbildungsleitung für den höheren technischen Verwaltungsdienst in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsdirektion West bzw. Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Außenstelle West, inne.

Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung: genehmigen, überwachen, organisieren, planen, betreiben, führen

Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung bietet ein sehr weit gestreutes Aufgabenspektrum für Ingenieure im höheren technischen Verwaltungsdienst. Ich habe bereits viele Aufgabenbereiche betreut. Dazu zählen die Erteilung von Baugenehmigungen und die Überwachung der Anlagen Dritter an Bundeswasserstraßen wie zum Beispiel Hafenplanungen, Verladeanlagen und Brücken, aber auch kleinere Sportbootanlagen bzw. stadtplanerische Anlagen und Gestaltungen von Städten und Gemeinden entlang der Bundeswasserstraßen. Gleichermaßen baut und betreibt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung auch viele und vielfältige eigene Bauten wie Schleusen, Brücken, Wehre, Häfen, Ufer- und Küstenschutzbauwerke deren Bau, Instandhaltung und Betrieb ebenfalls Aufgabe der WSV ist. Aktuell arbeite ich schwerpunktmäßig im letzteren Bereich (eigene Anlagen) und bin dort zuständig für die Fachaufsicht über die ausführenden Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter und auch deren Genehmigungsbehörde. Das heißt, die Projekte, die ein WSA umsetzen will oder muss, werden bei mir angemeldet und sowohl bauaufsichtlich genehmigt als auch über die Verteilung der Haushaltsmittel (Gelder) priorisiert.

Besondere Herausforderungen sind die ständigen Einzelfallentscheidungen, da im Prinzip kein Fall wie der andere, keine Baugenehmigung wie die andere ist. Dazu kommt die Weiterentwicklung einer sich wandelnden Organisation, die im laufenden Betrieb umorganisiert wird. Dabei habe ich sowohl sehr viel mit Menschen (innerhalb und außerhalb der WSV) zu tun als auch mit sehr unterschiedlichen Ingenieuraufgaben. Daneben begleite ich auch viele wissenschaftliche Arbeiten der Bundesanstalten (Bundesanstalt für Wasserbau und Bundesanstalt für Gewässerkunde) bzw. bin Auftraggeber für sie. Spannend ist auch die Arbeit in internationalen Arbeitsgruppen wie zum Beispiel der Zentralkommission für Rheinschifffahrt (ZKR). Dort arbeite ich gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden in einer Arbeitsgruppe, die für Infrastruktur und Umwelt zuständig ist. Hier werden zum Beispiel gemeinsame technische Grundsätze für Baumaßnahmen am Rhein entwickelt und verbindlich für alle Mitgliedstaaten der ZKR eingeführt.

Im Laufe meiner beruflichen Stationen gab es Tätigkeiten mit unterschiedlich hohem Anteil an Personal- und Führungsaufgaben, zum Beispiel die Leitung eines Sachbereiches oder Projektes mit bis zu 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder als Vertreterin des Amtsvorstandes zumindest zeitweise die Verantwortung für ein ganzes Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt mit mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In meiner derzeitigen Funktion als Dezernentin in der Mittelbehörde mit überwiegend konzeptionellen sowie Prüf- und Genehmigungsaufgaben habe ich nur im Vertretungsfall Personalverantwortung und Führungsfunktion; so ist mehr Raum, um der temporären „Führungsverantwortung“ in meiner Familie mit drei Kindern gerecht zu werden. Mit zunehmender Größe der Familie habe ich meine beruflichen Aufgaben durch Stellenwechsel innerhalb der Verwaltung verändert, um Beruf und Familie gut vereinbaren zu können. Diese Wechsel ließen sich gut umsetzen, da durch die Größe der Verwaltung eine breite Vielfalt an Aufgaben sowie eine große Flexibilität in der Ausgestaltung des beruflichen Werdegangs möglich sind und so die Work-Life-Balance unterstützen.

Technisches Referendariat: Kontakte und Einblicke auf allen Ebenen

Wenn ich auf mein technisches Referendariat zurückblicke, erinnere ich mich besonders gerne an die Möglichkeit, sehr eigenständig das sowohl räumlich als auch inhaltlich sehr breit gestreute Aufgabenspektrum der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung kennenzulernen, sowie an die Begegnung mit vielen unterschiedlichen Menschen und ihren unterschiedlichen Aufgaben. Und natürlich an das Kennenlernen der vielen völlig verschiedenen Wasserstraßenreviere – von den seewärtigen Zufahrten und den Küstenbauwerken bis zu den unterschiedlichen Binnenwasserstraßen wie freifließende und staugeregelte Flüsse (sehr große wie der Rhein bis zu sehr kleinen wie die Lahn) oder Kanäle.

Im Referendariat wurde ich von nahezu allen, die für mich als Ausbilderinnen oder Ausbilder zuständig waren, überallhin mitgenommen – auf alle Ebenen. So habe ich selbst einen umfassenden Eindruck von den späteren Einsatzmöglichkeiten bekommen, konnte mich gleichzeitig bei den potenziellen späteren Vorgesetzten unverbindlich vorstellen sowie durch die regelmäßige praktische Mitarbeit und auch durch gute Arbeitsergebnisse empfehlen.

Kontakte als „Türöffner“

Berufliche Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen aus der Referendarzeit gibt es immer mal wieder. Der besondere Wert ist die gemeinsame Basis und damit das gemeinsame Verständnis für den Werdegang des anderen. Es ist schlicht ein guter „Türöffner“ für ein Gespräch, gerade wenn das zu besprechende Thema auf einer oder beiden Gesprächsseiten eher problematisch besetzt ist.

Öffentliche Hand: Arbeitgeber und Auftraggeber

Auch wenn man sich selbst später nicht in der öffentlichen Verwaltung sieht: Die öffentliche Hand ist einer der größten Auftraggeber für viele private Unternehmen (Ingenieurbüros, Baufirmen, Hersteller und Lieferanten etc.), und die öffentliche Hand ist nun mal an viele Regularien gebunden – da ist es für alle Beteiligten sehr hilfreich, fundiert zu wissen, „wie Verwaltung funktioniert“.

Mein Ratschlag für Interessentinnen und Interessenten an der Berufsqualifizierung des technischen Referendariats ist: lieber etwas weniger Ausbildungsstationen absolvieren, dort aber darauf zu achten, dass man auch wirklich vertieft und eigenständig mitarbeiten kann. Die Ausbildungsinhalte sollten immer einen Schnittpunkt zur eigenen Ausbildungsbehörde haben, da man sich sonst bei kurzen Hospitationen gerade in sehr großen Organisationen kaum orientieren kann. Insgesamt sollten die Stationen immer einen Bezug zum späteren Wunscharbeitgeber haben – so lassen sich die Kontakte nutzen, und man lernt auch genau das kennen, was man möchte bzw. später inhaltlich weiter nutzen kann.

Technisches Referendariat: ergebnisoffene Problemlösungsstrategien erwerben

Ans Herz legen möchte ich angehenden technischen Referendarinnen und Referendaren, immer offen zu bleiben für andere Sichtweisen und Herangehensweisen. Die besten Arbeitsergebnisse habe ich in den Arbeitsgruppen erzielen können, in denen alle Beteiligten trotz unterschiedlicher fachlicher oder persönlicher Voraussetzungen unvoreingenommen und damit ergebnisoffen an ein Problem bzw. eine Aufgabenstellung herangegangen sind. Dabei sollten aber niemals die zur Verfügung stehenden Ressourcen (Personal, Zeit und Geld) aus den Augen verloren werden, damit man einen möglichst optimalen Nutzen-Kosten-Faktor erreicht.