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Der Darstellung mancher Medien bzgl. angeblicher Einschränkungen bei der Seenotrettung widersprechen wir ausdrücklich.

Die anstehende Änderung der Schiffssicherheitsverordnung zielt nicht auf die Behinderung von privater Seenotrettung im Mittelmeer ab – im Gegenteil. Damit soll deren Arbeit abgesichert werden. Mögliche Sicherheitsmängel bei den eingesetzten Schiffen sollen verhindert werden, um damit den Schutz von Leib und Leben zu gewährleisten – sowohl das der Besatzung, von ehrenamtlichen Helfern als natürlich auch das von den aus Seenot Geretteten.

Es trifft nicht zu, dass Anforderungen speziell für NGO-Schiffe massiv erhöht wurden. Vielmehr soll der Sicherheitsstandard für alle Kleinfahrzeuge komplett überarbeitet und modernisiert werden und erhält damit auch einen völlig neuen und verhältnismäßigeren Inhalt. Im Kern müssen die kleinen Schiffe der NGOs (nach unserem Kenntnisstand sind das 6 Schiffe) dem Sicherheitsstandard handelsüblicher Sportboote entsprechen. Aktuell drohen auch keine direkten Konsequenzen, da sich der Abstimmungsprozess noch im Frühstadium befindet und eine Übergangszeit vorgesehen sein wird. Wir haben die privaten Seenotrettungsorganisationen frühzeitig am laufenden Prozess beteiligt: Anfang Dezember wurden sie zu einem persönlichen Austausch auf Arbeitsebene eingeladen, bei dem die Gründe für die Zeugnispflicht erläutert wurden. Dieses Angebot wurde sehr gut von allen involvierten NGOs angenommen und die damit bewiesene Transparenz des Vorgehens ausdrücklich begrüßt. Die NGOs werden im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung weiter die Möglichkeit haben, sich einzubringen.

An dieser Stelle möchten wir auch darauf hinweisen, dass die zivile Seenotrettung erstmals finanzielle Unterstützung erhält: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im November 2022 beschlossen, United4Rescue im Jahr 2023 zwei Millionen Euro für die zivile Seenotrettung zur Verfügung zu stellen. Auch für die darauffolgenden Jahre 2024-2026 sind jeweils zwei Millionen Euro vorgesehen.

Eine Anfrage des ARD-Magazins MONITOR bzgl. Seenotrettung hat das BMDV wie folgt beantwortet:

1. Aus welchen Gründen schließt das Verkehrsministerium in diesem Entwurf die zivilen Seenotrettungsschiffe, die im Mittelmeer aktiv sind, aus dem Freizeitbereich aus und erhöht damit massiv die Auflagen?

Das Vorhaben zielt nicht auf die Behinderung von privater Seenotrettung im Mittelmeer ab, sondern es geht im Gegenteil darum, deren Arbeit abzusichern. Sicherheitsmängel der eingesetzten Schiffe sollen verhindert werden und damit der Schutz von Leib und Leben gewährleistet sein. Laut Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) ist eine Überarbeitung der nationalen Sicherheitsanforderungen an Kleinfahrzeuge (Länge bis 24 Meter) dringend erforderlich. Untersuchungen von Seeunfällen haben immer wieder gezeigt, wie leicht es zu Ereignissen mit Lebensgefahr und Personenschaden kommen kann, wenn die zu ihrer Abwendung erforderlichen Maßnahmen, z.B. in Bezug auf Rettungsmittel und Brandverhütung, nicht ergriffen werden. Dies gilt gerade für Kleinfahrzeuge, die über eine längere Zeit auf hoher See mit einiger Entfernung zu Rettungseinrichtungen operieren – auch bei schwierigen Wetterlagen – und bis zur Kapazitätsgrenze eine Vielzahl von entkräfteten, traumatisierten und nicht schwimmfähigen Personen aufnehmen. Hier drohen sicherheitsrelevante Vorfälle schnell zu eskalieren. Deshalb muss die Schiffstechnik und -ausrüstung gewährleisten, dass solche Situationen schon im Ansatz vermieden und widrigenfalls seitens der Besatzung bestmöglich gehandhabt werden können.

Bereits die 19. Schiffssicherheitsanpassungsverordnung vom 3. März 2020 (19. SchSAnpV) hatte für Kleinfahrzeuge die Zeugnispflicht eingeführt. In Folge eines verwaltungsgerichtlichen Beschlusses werden die hierzu vorgenommenen Änderungen der SchSV bislang allerdings nicht angewendet. Grund ist ein unionsrechtlicher Verfahrensfehler. Das aktuelle Vorhaben soll in diesem Punkt Rechtsklarheit schaffen.
Dabei wird der gesamte Sicherheitsstandard für Kleinfahrzeuge komplett überarbeitet, modernisiert und erhält damit auch einen völlig neuen und verhältnismäßigeren Inhalt. Es trifft also nicht zu, dass Auflagen massiv erhöht würden.

Zu beachten ist außerdem, dass das Vorhaben im Zusammenhang mit Rettungsmissionen im Mittelmeer nur deren Kleinfahrzeuge betrifft. Nach unserer Kenntnis sind 6 Kleinfahrzeuge der Seenotrettung im Mittelmeer betroffen. Ihre größeren Schiffe (z.B. Sea Watch 3) unterliegen bereits nach internationalem Recht der Besichtigungs- und Zeugnispflicht und fahren darum schon mit den erforderlichen Schiffszeugnissen. Auch hier haben wir mit den Betreibern eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet.

2. Die zusätzlichen Anforderungen wären mit enormen Mehrkosten verbunden. Die Seenotrettungsorganisationen fürchten, dass sie ihre Arbeit nicht weiterführen können. Was sagen Sie dazu?

Wir haben die privaten Seenotrettungsorganisationen frühzeitig beteiligt: Anfang Dezember wurden sie zu einem persönlichen Austausch auf Arbeitsebene eingeladen, bei dem das Regelungskonzept sowie die Gründe für die vorgesehene Zeugnispflicht erläutert wurden. Dieses Angebot wurde sehr gut von allen involvierten NGOs angenommen und die damit bewiesene Transparenz des Vorgehens ausdrücklich begrüßt.
Mit folgenden Maßnahmen planen wir der Verhältnismäßigkeit der Besichtigungs- und Zeugnispflicht Rechnung zu tragen: Übergangsregelungen, die Möglichkeit für abweichende Regelungen und Ausnahmen sowie durch die vollständige Überarbeitung der Anforderungen zu einem internationalen und modernen Mindeststandard, dessen Einhaltung durch Konformität mit den Industriestandards für Sportboote (CE-Kennzeichen) vereinfacht nachgewiesen werden kann.

Im vorgesehenen Austausch im Rahmen der Verbändeanhörung sollen die Ausnahmen und Übergangsfristen gemeinsam mit den betroffenen Organisationen auf Arbeitsebene erörtert werden. Hierzu ist zusätzlich zur Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme auch eine mündliche Anhörung geplant.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im November 2022 zudem beschlossen, United4Rescue im Jahr 2023 zwei Millionen Euro für die zivile Seenotrettung zur Verfügung zu stellen. Auch für die darauffolgenden Jahre 2024-2026 sind jeweils zwei Millionen Euro vorgesehen. Damit erhält die zivile Seenotrettung erstmals dringend benötigte finanzielle Unterstützung von der deutschen Bundesregierung.

3. Laut der Seenotrettungsorganisationen erhöhten die Auflagen nicht die Sicherheit an Bord, da sie nicht auf die Seenotrettung, sondern auf die Berufsschifffahrt zugeschnitten sind. Was sagen Sie dazu?

Laut BSU muss hinsichtlich der Sicherheitsbelange von Kleinfahrzeugen auf die Einsatzart des Fahrzeugs abgestellt werden. Die Schiffe werden auf Dauer auf hoher See gezielt in Notlagen eingesetzt. Damit ist der Einsatz nicht vergleichbar mit der typischen und zeugnisfreien Sport- und Freizeitnutzung. Der für den Sport maßgebliche Aspekt der Selbstgefährdung wird mit Blick auf Besatzung, zusätzliche ehrenamtliche Helfer ohne Besatzungsfunktion und regelmäßig aufgenommene Gerettete vom Aspekt der Fremdgefährdung überlagert. Bei ihren Rettungsmissionen sind Besatzung und ehrenamtliche Helfer vergleichbaren Gefahren ausgesetzt wie Berufsseeleute.

Dank der regelmäßigen technischen Überprüfung der größeren Schiffe der NGOs wurden gravierende Sicherheitsmängel festgestellt, die den Betreibern nicht bewusst waren. Sie konnten mit der engagierten Unterstützung der Dienststelle Schiffssicherheit gemeinsam mit den Betreibern abgestellt werden. Für die Kleinfahrzeuge der NGOs ist ein ebenso effektiver Gewinn für die Schiffssicherheit zu erwarten:

  • Zwei Kleinfahrzeuge der privaten Seenotrettungsmissionen wurden bereits in der Vergangenheit besichtigt. In ihrem damaligen Zustand wiesen sie erhebliche Sicherheitsmängel auf.
  • Laut dem Bericht über die Sicherheit des europäischen Seeverkehrs der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) ist der nach Auswertung weltweiter Unfallstatistiken ganz maßgebliche Faktor in der Schiffssicherheit das Alter des Fahrzeugs. Baujahre der derzeit im Mittelmeer eingesetzten NGO-Kleinfahrzeuge sind nach unserer Kenntnis 1917, 1965, 1985 und 1988.
  • Die im Rahmen der Unfalluntersuchungen der BSU zu Tage getretenen Mängel und Gefahrenlagen bei Arbeitsbooten, Wassertaxis und Fischereikutter sind gerade auch bei den Kleinfahrzeugen der NGOs denkbar. Von den ergriffenen Vorsorgemaßnahmen sollen auch die Kleinfahrzeuge der NGOs profitieren. Ihre Besatzung, die zusätzlich an Bord befindlichen ehrenamtlichen Helfer sowie nicht zuletzt die Geretteten verdienen gleichen Schutz.

4. Die Rettungsschiffe der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger müssen die in der Verordnung genannten Auflagen nicht erfüllen. Sie sind davon ausgenommen. Warum gilt diese Ausnahme nicht auch für die zivile Seenotrettung im Mittelmeer?

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) nimmt für die Bundesrepublik Deutschland die staatliche Aufgabe der Seenotrettung im deutschen Hoheitsgebiet war und ist damit eingebunden in das nationale Rettungskonzept. Die Seenotrettungskreuzer der DGzRS sind hochmoderne Spezialanfertigungen und gerade für Rettungsmissionen unter schwierigen Seebedingungen entwickelt. Sie verfügen über eine außerordentlich hohe Seetüchtigkeit als sogenannte Selbstaufrichter. Sie erfüllen damit bedeutend höhere Sicherheitsanforderungen als diejenigen, die von der Schiffssicherheitsverordnung für Kleinfahrzeuge vorgegeben werden.