
Quelle: Nederlandse Kustwacht
In der Nacht zum 26. Juli 2023 ist es vor der Küste der Niederlande auf Höhe der Insel Ameland zu einem Schiffsbrand gekommen. Bei dem Schiff handelt es sich um den Autofrachter „Fremantle Highway“ mit rund 3.800 Fahrzeugen an Bord. Er befand sich auf der Fahrt von Bremerhaven nach Port Said, Ägypten. Das Schiff befindet sich in niederländischen Gewässern, die Einsatzleitung liegt bei den niederländischen Behörden. Das deutsche Havariekommando hat den Niederlanden im Auftrag der Bundesregierung bereits in der Nacht zum 26. Juli 2023 Unterstützung angeboten. Wir informieren hier zum aktuellen Stand der Situation.
Update vom 1. August:
-Laut Medienberichten hat sich das Schiff am 1.08.2023 von der Ankerverbindung gelöst. Wie ist die aktuelle Situation?
Die niederländischen Behörden haben das Maritime Lagezentrum am frühen Abend des 1.08.2023 darüber informiert, dass die Ankerverbindung der FREMANTLE HIGHWAY gerissen ist. Die beiden angeschlagenen Schlepper waren aber weiterhin permanent mit dem Schiff verbunden. Zu keiner Zeit trieb das Schiff unkontrolliert in der Nordsee. Nach einer geringfügigen Drift Richtung Osten konnten die Schlepper die FREMANTLE HIGHWAY auch wieder zu der für sie vorgesehenen Ankerposition bringen. Dort liegt sie auch jetzt. Zwischenzeitlich wurden vorsorglich deutsche Behördenschiffe in Richtung der deutsch-niederländischen Grenze in Bewegung gesetzt. Die deutschen Behörden sind über das Maritimen Sicherheitszentrum in permanentem Austausch und haben die Lage weiter in Beobachtung.
Hintergrundinformationen
Der Autofrachter „Fremantle Highway“ ist in der Nordsee vor der niederländischen Küste in Brand geraten. Wie ist die Situation vor Ort?
Derzeit wird seitens der niederländischen Einsatzkräfte daran gearbeitet, das Schiff weiter zu stabilisieren und die Bergung vorbereitet.
Gibt es bereits Erkenntnisse zur Brandursache?
Bevor belastbare Aussagen zur Unfallursache getroffen werden können, bleibt das Ergebnis der unabhängigen Seeunfalluntersuchung abzuwarten. Eine solche Seeunfalluntersuchung zielt darauf ab, das Unfallgeschehen umfassend zu untersuchen, die Unfallursachen festzustellen und ggf. Sicherheitsempfehlungen herauszugeben, damit ähnliche Unfälle künftig vermieden werden können. Panama als Flaggenstaat der „Fremantle Highway“ hat erklärt, die Unfalluntersuchung durchzuführen. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir uns an aktuellen Spekulationen bzgl. der Brandursache nicht beteiligen.
Welche Gefahrenstoffe sind an Bord und welche Folgen hätten sie bei Freisetzung für die Meeresnatur?
An Bord befinden sich 1.600 Tonnen Schweröl (VLSFO, „Very Low Sulphur Fuel Oil“) und weitere 200 Tonnen Marinediesel (LSMGO, „Low-Sulphur Marine Gasoil“). Hinzukommen mögliche Tankinhalte, umweltbelastende und toxische Materialien der transportierten Fahrzeuge sowie Verbrennungsrückstände und Löschwasser.
Aktuelle Berechnungsmodelle zeigen, dass die deutschen Küsten im Falle eines Ölaustritts nach den derzeit vorherrschenden Wind- und Strömungsverhältnissen nicht betroffen wären.
Im Fall einer Freisetzung besteht grundsätzlich auch für den Nationalpark Wattenmeer auf deutscher Seite die Gefahr einer Verschmutzung mit Folgen für Flora und Fauna. Mit seiner einzigartigen Natur, vielen bereits bedrohten Tier- und Pflanzenarten und seinen durch Ebbe und Flut geprägten Lebensräumen ist das Wattenmeer besonders empfindlich.
Das Wattenmeer hat eine herausragende Bedeutung als Fortpflanzungs- und Lebensraum zum Beispiel für Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale, als Rastplatz des Vogelzugs, als Brut- und Mausergebiet für Wat- und Wasservögel und als Kinderstube der Nordseefische.
Aufgrund seines außergewöhnlichen universellen Werts wurde das Wattenmeer in die UNESCO Liste „Erbe der Menschheit“ aufgenommen. Der Nationalpark Wattenmeer erstreckt sich über die Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen.
Wie ist der Transport von batteriebetriebenen Fahrzeugen im Seeverkehr geregelt?
Die Beförderung gefährlicher Güter unterliegt umfassenden und strengen internationalen und nationalen Rechtsvorschriften. Die Vorschriften werden unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus Wissenschaft und Technik laufend überprüft und weiterentwickelt. Auch die Ergebnisse aus abgeschlossenen Unfalluntersuchungen fließen in diese kontinuierliche Weiterentwicklung ein. Für die Beförderung verpackter gefährlicher Güter mit Seeschiffen gibt es mit dem International Maritime Dangerous Goods Code (IMDG-Code) ein umfassendes Regelwerk, das ausführlich vorschreibt, durch welche Maßnahmen von den am Transport Beteiligten der Schutz von Menschen und der Umwelt zu gewährleisten ist.
Lithiumbatterien und batteriebetriebene Fahrzeuge unterliegen den Vorschriften des Gefahrgutrechts. Sofern Elektrofahrzeuge als Ladung befördert werden, müssen die eingebauten Lithium-Batterien einem geprüften Typ entsprechen. Die internationalen Kriterien sind im UN Handbuch Teil III Unterabschnitt 38.3 festgelegt. Die darin festgelegte Typprüfung ist für alle zu befördernden Lithiumbatterien vorgesehen. Eine deutsche Fassung des Handbuchs können Sie auf dem Publikationsserver der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) unter folgendem Link einsehen: https://opus4.kobv.de/opus4-bam/frontdoor/index/index/docId/57317
Weitere Informationen und Sicherheitsbestimmungen zur Beförderung gefährlicher Güter sowie zu den wichtigsten Vorschriften finden Sie auf der Homepage des BMDV unter https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/Gefahrgut/befoerderung-gefaehrlicher-gueter.html und https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/Gefahrgut/gefahrgut-recht-vorschriften.html
Bedarf es vor dem Hintergrund des Unfalls einer Anpassung der Routenvorgaben für die Schifffahrt in der Nordsee?
In dem fraglichen Gebiet in der Deutschen Bucht besteht bereits ein völkerrechtlich durch die zuständige Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization - IMO) festgelegtes Verkehrstrennungsgebiet (Terschelling German Bight), welches sich teils auf Abschnitte des deutschen Küstenmeeres und teils auf Bereiche der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (d.h. internationale Gewässer) erstreckt. Abweichende einseitige nationale Regelungen sind nicht zulässig.
Aufgrund früherer Havarien senden die Verkehrszentralen bei schlechten Wetterverhältnissen bereits seit Ende 2019 abgestimmt mit unseren Nachbarstaaten Warnmeldungen für große Schiffe, zusammen mit der Empfehlung in das weiter nördlich gelegene Verkehrstrennungsgebiet „German Bight Western Approach“ auszuweichen. Auswertungen von Verkehrsdaten haben entsprechende Verkehrsverlagerungen gezeigt und damit die Wirksamkeit der Maßnahme bestätigt.
Wie wahrscheinlich ist es, dass das Schiff sinkt und Gefahrenstoffe austreten?
Nach Angaben der niederländischen Behörden hat sich die Situation stabilisiert. Für eine belastbare Antwort auf diese Frage ist es aber weiterhin zu früh. Die niederländischen Einsatzkräfte arbeiten weiter daran, das Schiff zu stabilisieren und die Bergung vorzubereiten.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Gefahrenstoffe im Falle einer Freisetzung in deutsche Gewässer driften?
Wenn Öl oder andere Schadstoffe aus dem Schiff austreten sollten, können sie sich je nach Wind- und Strömungsverhältnissen verbreiten.
Die Behörden behalten die Lage permanent im Blick. Aktuelle Berechnungsmodelle zeigen, dass die deutschen Küsten im Falle eines Ölaustritts nach den derzeit vorherrschenden Wind- und Strömungsverhältnissen nicht betroffen wären.
Wer ist für das Management und die Krisenvorsorge zuständig?
Vor Ort sind die niederländischen Behörden zuständig und arbeiten derzeit daran, das Schiff zu sichern und in einen Hafen zu bringen. Das Havariekommando (eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer für das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee) beobachtet die Lage sehr genau und wertet sie permanent aus. Falls die niederländischen Behörden einen Schadstoffaustritt melden und die Gefahr bestünde, dass dieser in deutsche Gewässer treibt, würde das Havariekommando präventiv die Gesamteinsatzleitung für den deutschen Bereich übernehmen.
Falls nötig, müssen austretende Stoffe aufgenommen werden. Entsprechende Einsatzmaßnahmen werden bereits vorgeplant.
Wie kann Deutschland helfen?
Das deutsche Havariekommando (eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Küstenländer für das Unfallmanagement auf Nord- und Ostsee) hat den Niederlanden im Auftrag der Bundesregierung bereits in der Nacht zum 26. Juli 2023 Unterstützung angeboten.
In der Folge war der deutsche Notschlepper NORDIC ab dem 26. Juli morgens bei der „Fremantle Highway“ und unterstützte die Einsatzmaßnahmen der niederländischen Behörden. Die NORDIC wurde mittlerweile abgelöst und befindet sich in Bereitschaft. Sollte die niederländische Regierung weitere Unterstützung von deutscher Seite benötigen, wird die Bundesregierung diese nach ihren Möglichkeiten zur Verfügung stellen. Falls die niederländischen Behörden einen Schadstoffaustritt melden sollten, wird das Havariekommando präventiv die Gesamteinsatzleitung für den deutschen Bereich übernehmen.
Wenn das Havariekommando die Gesamteinsatzleitung übernimmt, kann es auf Einsatzkräfte und auf Schiffe des Bundes und der Küstenländer zugreifen. Dazu zählen insbesondere die mit Ölbekämpfungsgerät ausgestatteten Mehrzweckschiffe des Bundes sowie weitere Spezialschiffe der Länder.
Das Havariekommando übt regelmäßig, was im Fall eines Schadstoffunfalls zu tun wäre. Wie Schadstoffunfall-Bekämpfungsmaßnahmen aussehen, ist in diesem Video von einer internationalen Übung in der Ostsee zu sehen. Internationale Übungen finden auch gemeinsam mit niederländischen Einsatzkräften regelmäßig statt, zuletzt Anfang Juni nahe Helgoland und Ende Juni in der Emsmündung.
Die grenzübergreifende Kooperation zwischen dem Havariekommando und den niederländischen Spezialisten hat sich in der Vergangenheit bereits gut bewährt.
Beide Staaten sind gemeinsam mit den weiteren Nordsee-Anrainern im Übereinkommen zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe (dem sogenannten BONN-Abkommen) zusammengeschlossen, um die gemeinsame Vorsorge und Bekämpfung von Schadstoffunfällen in der Nordsee zu organisieren und regelmäßig zu üben.
Welche Folgen könnte das Unglück für die deutsche Nordseeküste und das Wattenmeer haben?
Aktuelle Berechnungsmodelle zeigen, dass die deutschen Küsten im Falle eines Ölaustritts nach den derzeit vorherrschenden Wind- und Strömungsverhältnissen nicht betroffen wären.
Grundsätzlich gilt, wenn Öl oder andere Schadstoffe aus dem Schiff austreten sollten, können sie sich abhängig von Wind- und Strömungsverhältnissen weit verbreiten.
Grundsätzlich ist der Nationalpark Wattenmeer mit seiner einzigartigen Natur, vielen bereits bedrohten Tier- und Pflanzenarten und seine durch Ebbe- und Flut geprägten Lebensräume besonders empfindlich.
Wenn es zu einer Gefährdung durch auslaufende Schadstoffe kommen sollte, welche Maßnahmen können dann getroffen werden?
Um Gefährdungen für das hochsensible Ökosystem Wattenmeer vor allem durch Ölaustritte und andere Schadstoffe einzudämmen, würde das Havariekommando im Rahmen der Gesamteinsatzleitung u.a. Ölbekämpfungsschiffe einsetzen. Wie Ölbekämpfungsschiffe eingesetzt werden, wird in diesem Film von einer Ölbekämpfungsübung an der Ostseeküste gezeigt:
Was ist das Havariekommando?
Das Havariekommando ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der fünf Küstenländer (Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern). Bei schweren Unfällen auf Nord- und Ostsee übernimmt es die Gesamteinsatzleitung und die Koordination der Maßnahmen und Einsatzkräfte. Das Havariekommando hat seinen Sitz in Cuxhaven (Niedersachsen) im Gebäude des Maritimen Sicherheitszentrums. Zum Team der Einrichtung gehören unter anderem Fachleute für Schiffsunfälle, für Brandbekämpfung auf Schiffen und für die Schadstoffunfallbekämpfung auf See und an der Küste.
Das Havariekommando übt mit seinen Partnerbehörden und -organisationen regelmäßig, was im Fall eines schweren Seeunfalls zu tun ist. Auch Übungen mit Nachbarländern, darunter auch mit den Niederlanden, stehen häufig auf der Tagesordnung.
Die Aufgaben und die Arbeit des Havariekommandos werden in diesem Video erklärt.
Inwieweit gibt es Überlegungen, die «Fremantle Highway» in einen deutschen Hafen zu schleppen? Inwieweit gibt es von deutscher Seite ggf. auch schon ein Angebot an niederländische Behörden/die Reederei, das Schiff in einen deutschen Hafen zu schleppen?
- Dem BMDV liegen keine Informationen über Anfragen der niederländischen Behörden und Bergungsunternehmen zur Übernahme des Havaristen vor. Auch ein Angebot von deutscher Seite ist hier nicht bekannt.
Bei der Suche nach einem Hafen: Wie läuft die Entscheidungsfindung in so einem Fall grundsätzlich ab? Wer entscheidet, welchen Hafen ein Havarist anlaufen darf? Inwieweit wird das Bundesverkehrsministerium bzw. inwieweit werden Bundesländer in so eine Entscheidungsfindung einbezogen?
- Grundlage für die Entscheidung über geeignete Häfen ist eine gründliche Bewertung des Schadens sowie der notwendigen Arbeiten am Havaristen. Vor Abschluss dieser Analyse können keine Aussagen über gegebenenfalls in Frage kommende Häfen getroffen werden.
- Im Falle einer vergleichbaren Schadenslage in deutschen Gewässern hat das Havariekommando die Befugnis, Schiffen Notliegeplätze zuzuweisen. Für Schiffe in niederländischen Gewässern, die einen Notliegeplatz benötigen, sind die niederländischen Behörden zuständig.
- Nach internationaler Praxis ist vor dem Benennen eines möglichen Notliegeplatzes eine umfangreiche Bewertung im Hinblick auf den Zustand des Schiffes und mögliche Risiken durchzuführen. Wird durch die niederländische Seite der Bedarf einer Verbringungen des Havaristen in einen deutschen Hafen gesehen, erfolgt der Kontakt über das Havariekommando oder den geplanten Zielhafen. Notwendige Befahrensgenehmigungen für das Verschleppen eines Havaristen durch deutsche Gewässer müssen in einem solchen Fall bei der Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung des Bundes beantragt werden. Eine solche Kontaktaufnahme ist bislang aber nicht erfolgt.
Inwieweit stehen Häfen in Deutschland denn grundsätzlich bereit, so einen havarierten Frachter aufzunehmen? Und welche (größeren?) Häfen kämen dafür aus Sicht des BMDV grundsätzlich in Frage bzw. welche Voraussetzungen/Infrastruktur müssen Häfen bieten, damit so ein Havarist einen Hafen anlaufen kann?
- Bei der Auswahl eines Zielhafens für havarierte Schiffe handelt es sich immer um eine Einzelfallentscheidung, die sowohl das konkrete Gefährdungspotential des Havaristen als auch den für den speziellen Fall geeigneten Notliegeplatz berücksichtigt. Im Rahmen dieser Entscheidung werden alle örtlich zuständigen Stellen einbezogen. Vor Abschluss der Begutachtung des Havaristen auf seinem aktuellen, vorläufigen Ankerplatz können keine Aussagen über gegebenenfalls in Frage kommende Häfen getroffen werden.