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Staatssekretär Hartmut Höppner:
Die Frage nach der Einführung eines Tempolimits wird seit Jahren kontrovers und oftmals sehr ideologisiert diskutiert. Das Bundesverkehrsministerium möchte mit einer fundierten, aktuellen Untersuchung einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte liefern. Die Erhebung der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen zeigt: Die Einführung eines Tempolimits würde zwar zu Einsparungen führen, diese fallen allerdings nicht so hoch aus, wie von vielen Seiten behauptet. Auf den untersuchten Autobahnabschnitten wurde zudem langsamer gefahren als noch vor 10 Jahren. So wurde 2024 eine mittlere Geschwindigkeit von 114,9 km/h gemessen. Eine wesentliche Rolle spielt auch die weitere Entwicklung der Elektrofahrzeuge. Je mehr E-Autos es gibt, desto geringer würde über die Jahre hinweg das CO2-Einsparungspotenzial durch ein generelles Tempolimit. Nicht zuletzt sind bei einer Entscheidung für oder gegen ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen viele weitere Faktoren zu bedenken: Neben dem Klimaschutz spielen beispielsweise auch die Verkehrssicherheit und der Verkehrsfluss eine bedeutende Rolle. Im Fokus der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung stehen deshalb insbesondere Maßnahmen, die auch langfristig hohe CO2-Einsparpotentiale erwarten lassen. Hierzu zählen beispielsweise Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität und anderer innovativer Mobilitätstechnologien, zur Stärkung der Schiene und insbesondere des ÖPNV, zur Förderung des Rad- und Fußverkehrs sowie zur Digitalisierung der Mobilitätssysteme.
Was wurde untersucht?
Als erster Bundesverkehrsminister hat Dr. Volker Wissing eine Studie in Auftrag gegeben, die wissenschaftlich erfasst, welches CO2-Einsparungspotenzial ein generelles Tempolimit auf Autobahnen haben könnte. Im September 2024 hat er hierzu die Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt) beauftragt, die „Auswirkung einer generellen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen auf die CO2-Emissionen“ zu untersuchen.
Was unterscheidet die aktuelle Studie von bisherigen Studien?
Methodisch stützt sich die Studie insbesondere auf die Auswertung von 1000 Dauerzählstellen auf deutschen Autobahnen und damit auf einen einzigartigen Fundus realer Daten. Die Fahrleistungsanteile auf Bundesautobahnen in Abhängigkeit vom jeweils herrschenden Tempolimit wurden mit diesen über 1000 Dauerzählstellen in hoher Datenqualität ermittelt. Darüber hinaus sind die Dauerzählstellen sensortechnisch in der Lage, detailliert Geschwindigkeiten zu erfassen. Von 123 Dauerzählstellen wurden systematisch Geschwindigkeiten ausgewertet. Außerdem fußt die Untersuchung auf einer Reihe von Testfahrten – vor allem auf der A 7. Neben den so gewonnenen, wesentlichen Erkenntnissen aus der Praxis basieren die Forschungsergebnisse vor allem auch auf den allgemein anerkannten Eckwerten aus dem Emissionsberechnungsprogramm TREMOD und aus dem Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs.
Zu welchem zentralen Ergebnis gelangt die Studie?
Sollte auf deutschen Autobahnen ein generelles Tempolimit von 130 km/h eingeführt werden, könnten auf diese Weise pro Jahr 1,3 bis 2 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden – je nachdem, wie stark eine Geschwindigkeitsbegrenzung von Autofahrern tatsächlich befolgt würde. Entscheidend für den Erfolg einer solchen Maßnahme ist also nicht zuletzt, wie konsequent ein Tempolimit kontrolliert wird und welche Sanktionen bei Verstößen ausgesprochen werden. Neben diesen beiden realistischen Szenarien wurde auch eine dritte Variante untersucht: Bis zu 4,2 Mio. Tonnen CO2 weniger pro Jahr wären möglich, falls Autos technisch auf eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h begrenzt wären. Dieses hypothetische Szenario wurde durchgespielt, um einen Maximalwert zu ermitteln. Zum Vergleich: Die gesamten CO2-Emissionen auf deutschen Autobahnen betrugen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge im Jahr 2023 zusammen 38,7 Mio. Tonnen CO2.
Welche weiteren Erkenntnisse liefert die Studie?
Auf den untersuchten Autobahnabschnitten wurde 2024 langsamer gefahren als vor 10 Jahren. Für 2024 wurde eine mittlere Geschwindigkeit von 114,9 km/h ermittelt. Diese liegt 2,1 km/h unterhalb des für 2014 festgestellten Wertes. Eine mögliche Erklärung sind die wachsende Zahl von Elektrofahrzeugen und steigende Kraftstoffpreise.
Eine wesentliche Rolle spielt die weitere Entwicklung der Elektrofahrzeuge. Je mehr E-Autos es gibt, desto geringer würde über die Jahre hinweg das CO2-Einsparungspotenzial durch ein generelles Tempolimit. Von einem steigenden Anteil an Elektrofahrzeugen ist grundsätzlich in der Summe auch ein verändertes Fahrverhalten (Durchschnittsgeschwindigkeiten, Fahrdynamik) zu erwarten, nicht nur bei den Elektrofahrzeugen, sondern in Folge des Mischverkehrs auch bei Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren.
Abzuwarten bleibt auch, inwieweit die zunehmende Verbreitung der mittlerweile bei Neuwagen gesetzlich vorgeschriebenen akustischen Geschwindigkeitswarner in Kraftfahrzeugen die Geschwindigkeiten in den kommenden Jahren (zumindest in Bereichen mit Tempolimit) beeinflussen wird.
In welchem generellen Zusammenhang stehen Geschwindigkeiten und Emissionen?
Der Energiebedarf steigt mit zunehmender Geschwindigkeit der Fahrzeuge. Dies ist in erster Linie auf den Luftwiderstand zurückzuführen, der von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängt. Bei hohen Geschwindigkeiten ist ein hoher Luftwiderstand zu überwinden und folglich ein erhöhter Energiebedarf zu verzeichnen. Darüber hinaus steht der Energiebedarf bei Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor in einem direkten Verhältnis zu den CO2-Emissionen: Je mehr Energie benötigt wird, desto mehr CO2-Emissionen entstehen.
Wie geht es weiter?
Die Studie zeigt: Ein generelles Tempolimit könnte die CO2-Emissionen senken – allerdings weniger ausgeprägt als von vielen Seiten behauptet. Entscheidend ist, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen konsequent kontrolliert und Verstöße wirksam geahndet werden. Bei der – letztlich politischen – Entscheidung für oder gegen ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen sind viele verschiedene Faktoren zu bedenken: Neben dem Klimaschutz spielen beispielsweise auch die Verkehrssicherheit und der Verkehrsfluss eine bedeutende Rolle. Hierzu könnten spezielle Studien weitere wichtige Erkenntnisse liefern.