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1. Für Luftfahrzeugführer, Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeughalter
- eines in der deutschen Luftfahrzeugrolle eingetragenen Luftfahrzeugs oder
- eines anderen Luftfahrzeugs, für das die Bundesrepublik Deutschland die Verantwortung des Eintragungsstaats übernommen hat, oder
- eines Luftfahrzeugs, welches in einem anderen Land registriert ist, aber unter einer deutschen Genehmigung nach § 20 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) oder nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union eingesetzt wird,
werden alle fliegerischen Betätigungen (Überflug, Start oder Landung) im Fluginformationsgebiet Damascus (OSTT), befristet bis zum 12.09.2023 und unter dem Vorbehalt fortdauernder Überprüfung der Gefährdungslage, verboten.
2. Folgende Flüge im gesamten Fluginformationsgebiet Damascus (OSTT) sind weiterhin zulässig:
- Flüge, bei denen der Luftfahrzeugführer eine Notlage erklärt oder bei denen eine Notlage offensichtlich ist,
- humanitäre Hilfsflüge, insbesondere Flüge mit kranken oder verletzten Personen, die sofortiger Hilfe bedürfen, einschließlich der Flüge, die zur lebenserhaltenden ärztlichen Versorgung von Kranken oder Verletzten dringend erforderlich sind,
- Flüge im Namen oder im Auftrag der Vereinten Nationen (VN), einschließlich Internationaler Organisationen innerhalb des VN-Systems, z.B. der IAEO, sowie
- Flüge im Auftrag der Bundesregierung.
3. Diese Allgemeinverfügung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 36 Absatz 2 Nummer 3 VwVfG.
Begründung
Die Allgemeinverfügung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr beruht auf
§ 26a Absatz 1 Satz 1 des LuftVG. Danach kann das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bei tatsächlichen Anhaltspunkten für eine erhebliche Gefährdung der Betriebssicherheit von Luftfahrzeugen für in § 1a Absatz 1 LuftVG genannte Luftfahrzeuge auch außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland für alle oder bestimmte Beförderungsarten ein Überflug-, Start- oder Landeverbot verhängen, soweit keine völkerrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen.
Seit der letzten flugbetrieblichen Bewertung des Luftfahrt-Bundesamtes gemäß § 26a LuftVG vom 27.04.2023 hat sich keine entscheidende Lageänderung ergeben.
Der faktische Kriegszustand in Syrien dauert seit dem Jahr 2011 an. Das Lagebild ist durch die Vielzahl von Akteuren (islamistische Terrororganisationen, insbesondere der sog. "Islamische Staat" (IS) und "Al-Quaida" sowie in- und ausländische Streitkräfte) und die geopolitische Bedeutung des Landes äußerst komplex.
Insbesondere die nachfolgend genannten Ereignisse wurden im Rahmen der flugbetrieblichen Bewertung festgehalten:
- Am 20.01.2023 erfolgte der Abschuss von zwei Drohnen, die einer von Iran unterstützten Miliz zugerechnet werden, über der Militärbasis in Al-Tanf in Ostsyrien.
- Am 02.04.2023 schoss die Israel Defence Force (IDF) eine iranische Drohne syrischer Herkunft über den Golanhöhen ab.
- Im Zeitraum 06.-07.04.2023 wurden ca. 90 Raketen von Südsyrien in Richtung Israel abgefeuert; davon werden ca. 60 Stück von der IDF abgefangen.
Ferner kommt es regelmäßig zu Luftangriffen, insbesondere durch die Luftwaffe der Russischen Föderation, die Luftwaffe Israels sowie von Streitkräften, die an der Operation „Inherent Resolve“ beteiligt sind.
Diese Angriffe sowie die terroristischen Gruppierungen stellen ein konkretes Gefährdungspotential für die zivile Luftfahrt in Syrien dar.
Insoweit ist mit Blick auf die Betriebssicherheit von zivilen Luftfahrzeugen keine Lageänderung zu erkennen. Es besteht unverändert eine erhebliche Gefährdung der Betriebssicherheit von Luftfahrzeugen und ein konkretes Risiko.
Es liegen mithin tatsächliche Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Betriebssicherheit von Luftfahrzeugen deutscher Luftfahrtunternehmen bei Flügen im Fluginformationsgebiet Damascus (OSTT) vor. Da die Vorschrift des § 26a Absatz 1 LuftVG auch zum Erlass eines Flugverbots außerhalb des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland ermächtigt, kann das BMDV deutschen Luftfahrzeugen den Überflug, den Start oder die Landung auch für das Fluginformationsgebiet Damascus (OSTT) untersagen. Völkerrechtliche Verpflichtungen stehen nicht entgegen.
Der Erlass des Überflug-, Start- oder Landeverbots ist im Übrigen verhältnismäßig. Die Sperrung des syrischen Luftraums (OSTT) ist ein geeignetes Mittel, um der konkreten Gefahr für die Betriebssicherheit von Luftfahrzeugen und damit auch für Leib und Leben der Besatzung und Passagiere an Bord von deutschen Luftfahrzeugen bei Überflug, Start oder Landung in dem o.g. Gefahrengebiet zu begegnen. Indem die von dem Verbot unter 1. betroffenen Luftfahrzeuge nicht mehr starten, landen oder das genannte Gebiet überfliegen dürfen, wird von staatlicher Seite gewährleistet, dass weder die Betriebssicherheit deutscher Luftfahrzeuge gefährdet wird, noch Leib und Leben von Besatzung und Passagieren zu Schaden kommen.
Die Maßnahme ist auch erforderlich, weil kein anderes Mittel gleicher Eignung und Wirkung zur Verfügung steht, um den Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs zu gewährleisten. Eine Empfehlung, bei der allein das Luftfahrtunternehmen bzw. der Luftfahrzeugführer die Verantwortung für die körperliche Unversehrtheit der Besatzung und Passagiere sowie der Betriebssicherheit des Luftverkehrs trägt, ist aufgrund der konkreten Gefahr im vorliegenden Fall nicht in gleicher Weise geeignet, den drohenden Schaden abzuwenden.
Das Verbot ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Aufgrund der mit der Maßnahme verbundenen Eingriffe in Rechte Dritter ist es angemessen, das Flugverbot auf vier Monate, bis zum 12.09.2023, zu befristen und unter den Vorbehalt fortdauernder Überprüfung der Gefährdungslage zu stellen.
Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen kommt dem Schutz der allgemeinen Betriebssicherheit des Luftverkehrs im syrischen Luftraum ein besonderes Gewicht zu. Im Hinblick auf die dort stattfindenden kriegerischen Auseinandersetzungen und das Wissen um den Einsatz von für den Luftverkehr gefährlichen Waffen gebietet die Schutzpflicht des Staates auch unter Berücksichtigung der durch ein Flugverbot betroffenen Grundrechte der Luftfahrtunternehmen ein staatliches Einschreiten. Da die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Besatzung und Passagiere beim Überflug, Start- oder Landung in und über einem Kriegsgebiet in erheblichem Maße gefährdet sind, ist es vorliegend gerechtfertigt, die Gewährleistung für den sicheren Betrieb des Luftfahrzeugs und den Schutz von Leib und Leben nicht allein in der Verantwortung des Luftfahrtunternehmens bzw. des Luftfahrzeugführers zu belassen, sondern durch ein staatliches Verbot sicherzustellen.
Auch die zugelassenen Ausnahmen von dem Flugverbot dienen der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die von dem Flugverbot ausgenommenen Flüge im Tenor zu 2. bezwecken die Abwehr akuter Notlagen, die Durchführung humanitärer Maßnahmen oder die Wahrung hoheitlicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland.
Der erneute Erlass eines Flugverbots für das Fluginformationsgebiet Damascus (OSTT) steht im Einklang mit der Vorschrift des § 26a Absatz 2 LuftVG. Der Regelungsgehalt der Allgemeinverfügung ist inhaltsgleich mit den vorangegangenen Allgemeinverfügungen zu Syrien, die seit dem 15. Oktober 2015 wiederholt erlassen wurden. Die Sicherheitslage hat sich seitdem nicht wesentlich verbessert. Regelmäßiger Flugverkehr findet nicht statt.
Gemäß § 26a Absatz 3 LuftVG entfällt die aufschiebende Wirkung des zulässigen Rechtsbehelfs.
Die Allgemeinverfügung erfolgt gemäß § 36 Absatz 2 Nummer 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Durch den Widerrufsvorbehalt wird sichergestellt, dass das BMDV zeitnah auf Situationsänderungen im Fluginformationsgebiet Damascus (OSTT) reagieren kann und die belastende Wirkung der Allgemeinverfügung auf die notwendige Dauer beschränkt wird.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, erhoben werden.
Bonn, den 12.05.2023
Bundesministerium für Digitales und Verkehr
Abteilung Luftfahrt
LF 14/612.9/6-11
Im Auftrag
gezeichnet
Johann Friedrich Colsman