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Foto einer digitalisierten Stadtansicht

Quelle: iStock / alexsl

Digitalisierung braucht Daten. Und das gilt auch für den Mobilitätssektor. Zugang und Nutzung von Mobilitätsdaten scheitern jedoch häufig an ungeklärten rechtlichen Rahmenbedingungen sowie fehlender Datenharmonisierung, Interoperabilität und Inklusion. Der EU Data Act schafft erstmals den Rahmen für einen rechtssicheren Zugang zu Fahrzeugdaten – zum Beispiel für Verkehrsunternehmen oder andere Mobilitätsanbietende.

Daten können die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle beschleunigen. Laut Europäischer Union verzeichnen Unternehmen, die in datengesteuerte Innovationen investieren, ein fünf- bis zehnprozentiges Produktivitätswachstum. Auch Verkehrsunternehmen sind von Daten abhängig, um innovations- und zukunftsfähig zu bleiben. Denn: Daten ermöglichen nicht nur ein Mehr an Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Steigerung von Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit. So können etwa beim Wechsel zu neuen Antriebsformen Fahrzeugdaten wertvolle Hilfe bieten. Diese Daten liegen zwar vielfach vor, können aber von Verkehrsunternehmen, Forschenden, Startups und anderen gesellschaftlichen Akteuren häufig nicht genutzt werden. Der Grund ist, dass Zugang und Nutzung solcher Daten oftmals an restriktiven Geschäftsmodellen der Herstellenden, ungeklärten rechtlichen Rahmenbedingungen sowie fehlender Datenharmonisierung, Interoperabilität und Inklusion scheitern.

Mobilitätsunternehmen, die häufig über große Datenmengen verfügen, geben ihre Datenschätze jedoch nur ungern aus der Hand. Denn wer Daten veröffentlicht oder teilt, läuft Gefahr, sich zu tief in die Karten schauen zu lassen, da solche Daten immer auch Rückschlüsse auf das eigene Geschäftsmodell zulassen. Und das wollen Anbietende von Mobilitätsdienstleistungen, die sich im starken Wettbewerb mit anderen Mobilitätsunternehmen befinden, vermeiden.

Data Act Factsheet Europäische Kommission

Quelle: Europäische Union, 2022.

EU Data Act soll rechtlichen Rahmen klären

Gleichzeitig war bislang der rechtliche Rahmen für die Akquise und Verwertung von Daten ungeklärt. Die „Verordnung über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung (Data Act)“ der Europäischen Union soll das ändern. Sie ist Anfang 2024 in Kraft getreten und geht im Herbst 2025 in geltendes Recht über.

Dabei hat der EU Data Act erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltungsfreiheit von Datennutzungsverträgen: Die Besonderheit liegt insbesondere darin, dass das Recht zur Verwendung der Daten fortan originär bei den „Nutzenden“ liegt und diese somit Anspruch auf einen „standardmäßig einfachen, sicheren und unentgeltlichen Zugang“ zu den von ihnen erzeugten Daten erhalten. So sind „Dateninhabende“ – also Unternehmen, die vernetzte Produkte anbieten – ab Herbst 2025 dazu verpflichtet, den Nutzenden – etwa den Verkehrsbetrieben – ihre Daten auf Anfrage bereitzustellen. Ab Herbst 2026 besteht dann für die Dateninhabenden sogar die Verpflichtung, an den von ihnen vertriebenen vernetzten Produkten (beispielsweise Fahrzeugen) eine Schnittstelle einzurichten, über die die Nutzenden ihre Daten unmittelbar und in Echtzeit auslesen können.

Die vertragliche Regelung dieses Datenaustauschs erarbeitet zurzeit eine internationale Expertengruppe der EU-Kommission. Matthias Niebuhr, Fachanwalt bei der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, verfasst zusammen mit 17 weiteren Expertinnen und Experten Musterverträge, die die Rechtsbeziehung von Dateninhabenden und Nutzenden hinsichtlich des Zugangs zu und der Nutzung von Daten EU Data Act-konform klären sollen.

Matthias Niebuhr ist juristischer Berater im mFUND-Projekt STAPL und Mitglied der Expertengruppe der EU-Kommission zu Datenaustauschverträgen nach dem EU Data Act.

Quelle: BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Matthias Niebuhr, Fachanwalt bei der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, und Mitglied der Expertengruppe der EU-Kommission zu Datenaustauschverträgen nach dem EU Data Act sowie rechtlicher Berater im mFUND-Projekt STAPL:

Mit dem EU Data Act will die EU den Datenschatz heben. Daten aus IoT-Geräten – wie etwa Nahverkehrsbussen – werden verfügbar und rechtssicher nutzbar. Es ist eine große Chance für Mobilitätsanbieter.

Datenharmonisierung, Interoperabilität und Inklusion

Gleichzeitig ist Matthias Niebuhr rechtlicher Berater des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderten mFUND-Projekts STAPL. Das Forschungsteam hat sich zum Ziel gesetzt, eine standardisierte Referenzarchitektur für Plattformen zu schaffen, über die sich Daten der Fahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) austauschen lassen. Denn neben der Rechtssicherheit scheitert die praktische Umsetzung des Austauschs von Mobilitätsdaten auch an mangelnder Standardisierung und fehlender Plattformen.

Der EU Data Act will die Interoperabilität der Services durch die Nutzung offener Standards und Schnittstellen fördern. Das bedeutet, dass die Daten standardisiert werden müssen, damit sie automatisiert ausgelesen werden können. Um die Verwertbarkeit zu gewährleisten, müssen sie zudem mit Metadaten ergänzt werden, die Aufschluss darüber geben, was die einzelnen Daten überhaupt bedeuten. Darüber hinaus ist eine Standardisierung der Schnittstellen (APIs) erforderlich.

Mobilithek: Eine Austauschplattform für offene Mobilitätsdaten

Bereits im Jahr 2019 hat die Bundesregierung beschlossen, eine Plattform zur anwenderübergreifenden Datennutzung ins Leben zu rufen, die den europäischen Werten wie Datenschutz, Datensouveränität und Interoperabilität Rechnung trägt. Diese vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) umgesetzte Maßnahme ist heute unter dem Namen Mobilithek bekannt. Mit der Plattform soll langfristig eine unternehmensübergreifende Datenökonomie entstehen, mit der sich innovative, umwelt- und nutzerfreundliche Mobilitätskonzepte realisieren und weiterentwickeln lassen.

STAPL – Data Governance und Standardisierung für Fahrzeug-Plattformen


Sensor- und Diagnosedaten aus Fahrzeugen des öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) sind ein wertvoller Datenschatz – sei es zur wirtschaftlichen Nutzung der Fahrzeuge oder zur weiteren Reduzierung der CO2-Bilanz des ÖPNV. Das STAPL-Forschungsteam hat sich daher zum Ziel gesetzt, eine standardisierte Referenzarchitektur für Fahrzeugdaten-Plattformen zu schaffen. Denn neben der Rechtssicherheit scheitert die praktische Umsetzung des Austauschs von Mobilitätsdaten häufig an mangelnder Standardisierung und fehlenden Plattformen.


Projektlaufzeit: 01/2022 – 03/2024
Mehr Informationen zum mFUND-Projekt STAPL

Die Mobilithek sammelt Echtzeitdaten aus dem Mobilitätssektor und ermöglicht deren automatisierte, maschinenlesbare Auffindbarkeit. So können beispielsweise Verkehrsbehörden, Infrastrukturbetreiber und Mobilitätsanbieter ihre Daten in die Datenbank einspielen – und austauschen. Neben Fahrplänen und Informationen zu Radwegenetzen zählen hierzu auch Standortdaten zu Fahrradabstellanlagen, E-Tankstellen oder Carsharing-Stationen. Aber auch Informationen zur Barrierefreiheit in Fahrzeugen und an Bahnhöfen können über diese Plattform geteilt werden.

Ziel der Plattform ist es, über eine Vielzahl unterschedlicher Datensätze – die intelligenten Verkehrssystemen als Grundlage dienen – neue Mobility-as-a-Service (MaaS)-Angebote zu ermöglichen. Dazu zählen u.a. Apps, die eine zentrale Buchung und Zahlung verkehrsträgerübergreifender Angebote (ÖPNV, Regionalverkehr, E-Scooter, E-Bikes, Car Sharing, On Demand-Shuttles) ermöglichen. Damit sollen Hürden, die den Zugang zu und die Nutzung von Mobilitätsdaten behindern, kontinuierlich abgebaut werden.
Während also der EU Data Act die notwendige Rechtssicherheit für den Zugang und die Nutzung von Mobilitätsdaten schafft, ermöglichen Datenbanken wie die Mobilithek den Datenaustausch zur Entwicklung zukunftsfähiger, nachhaltiger und klimafreundlicher Mobilitätsangebote.

Mehr Informationen zum Thema Open Data in der Mobilität