Alle aktuellen Inhalte Alle aktuellen Inhalte
Jörg Osarek präsentiert die KI, die Biotope findet. Im Hintergrund stellt sich das Team Bio.KI.S.S. per Foto vor

Quelle: BMDV

Satellitenbilder mit Künstlicher Intelligenz analysieren: Das Team Bio.KI.S.S. gewinnt beim DataRun 2023 mit einem komplexen Konzept. Ihre Software soll bei der Planung von Bauprojekten automatisch die Landschaft erforschen – und damit zugleich die Verkehrswende beschleunigen und den Klimaschutz verbessern.

Jörg Osarek schreckt vor komplexen Fragen nicht zurück – und vielleicht liegt das auch an seinem Sohn. Als Osarek vor einigen Jahren begann, sich mit dem Klimawandel und seinen Folgen zu beschäftigen, habe sein Sohn gesagt: „Papa, bring das in Ordnung.“

Osarek ist das, was man einen alten Hasen in der IT-Szene nennt: Als 14-Jähriger kaufte er sich von seinem Konfirmationsgeld einen C64-Computer, eine „faszinierende Zauberkiste“, wie er sagt. Diese Faszination lässt ihn seit 40 Jahren nicht los und so sieht er auch den Umweltschutz als technologisches Thema: „Unsere Wirtschaft läuft schließlich auf einem Betriebssystem, und das ist unser Planet.“

Nun kann Osarek den Planeten nicht allein schützen, aber der selbständige IT-Berater aus Bad Homburg kann sein Wissen über Computer und Künstliche Intelligenz einbringen. Und genau das tut er: Osarek ist Teil des Teams Bio.KI.S.S.. Dessen vier Mitglieder versuchen, Bauprojekte mit Künstlicher Intelligenz schneller und zugleich umweltfreundlicher zu machen. Beim DataRun 2023 haben sie ihre Idee weiterentwickelt und die Jury überzeugt: Bio.KI.S.S. hat Chancen auf eine Förderung durch den mFund.

Hackathon-Team kennt sich aus früheren Projekten

Neben Osarek gehören Christian Günster und Stefan Roy von der Deutschen Bahn zum Team. Günster kümmert sich um Flächenmanagement, Roy um Naturschutzfragen. Mit dabei ist auch Max von Sandrart, Mitgründer des Bielefelder Startups Green Account. Das Viererteam kennt sich aus früherer Zusammenarbeit zum Flächenmanagement für die Deutsche Bahn. Diese steht vor der Herausforderung, dass jede ihrer Baustellen einen Eingriff in die Natur darstellt und häufig naturschutzrechtliche Ersatzflächen benötigt werden. Denn jeder beanspruchte Quadratmeter für neue Gleise oder Gebäude muss gleichwertig ausgeglichen werden.

Die Bahn baut viel und wird künftig noch mehr bauen. „Weil da viel auf uns zukommt, stellt sich die Frage: Geht das auch schneller und günstiger?“, sagt Osarek mit Blick auf Planung und Naturschutzfragen. Bislang bedeute die Bauvorbereitung sehr viel manuelle Recherche am Computer: „Die Fachleute schauen sich stundenlang Satellitenbilder an. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem sie Landschaftsplaner und Biologen rausschicken.“ Hier setzt Bio.KI.S.S. an. Die Software soll Landschaften so gut analysieren können wie Menschen, die sich durchs Gebüsch kämpfen, soll herausfinden, welche Fläche beansprucht wird und wie sich der Eingriff möglichst geringhalten lässt. KI soll dabei zeitaufwändige Arbeit übernehmen, denn die Anforderungen im Naturschutz werden immer strenger, zugleich gibt es immer weniger Personal.

Die Künstliche Intelligenz wird mit künstlichen Bäumen trainiert

Wie genau funktioniert das? Bio.KI.S.S. macht Bildanalysen mittels Künstlicher Intelligenz und wird mithilfe von prozedural generierten multispektralen 3D Synthetic Datasets angelernt. An dieser Stelle erscheinen mehrere Fragezeichen in den Köpfen der allermeisten Menschen, doch Osarek hat Ausrufezeichen im Angebot und erläutert in mehreren Schritten:

1. Jede Künstliche Intelligenz benötigt viele Trainingsdaten, um eine Aufgabe zu erlernen. Zum Beispiel braucht sie Bilder von Bäumen, um Landschaften analysieren zu können.

2. Statt die KI mit Fotos von echten Bäumen zu füttern, lässt Bio.KI.S.S. eine Software Bilder von Bäumen erstellen. Diese künstlichen Bäume sind sogenannte Synthetic Datasets, auf Deutsch: synthetische Datensätze.

3. Synthetische Daten sind „sauberer“ als Bilder von echten Bäumen. In der Natur sieht das Blattwerk im Frühjahr anders aus als im Herbst und die Lichtsituation ist morgens anders als nachmittags – ein echter Baum wirkt also auf jedem Foto anders. Mit synthetischen Datensätzen lassen sich all diese Situationen erzeugen. So kann die KI vollständig lernen, wie eine typische Fichte oder eine typische Eiche aussieht.

4. Bio.KI.S.S. erzeugt deshalb synthetische Bäume auf prozedurale Art. Das Programm weist die KI an, einen Baum Stück für Stück aufzubauen, zuerst den Stamm, dann die Äste und schließlich die Blätter. Die Platzierung der Äste und Blätter erfolgt zufällig. So entstehen Bilder von Bäumen, die alle unterschiedlich sind. Denn auch in der Natur hat kein Baum exakt so viele Blätter und Äste wie ein anderer.

5. Auf diese Weise entsteht ein riesiger Pool von Trainingsdaten. Dies sei die Basis, um Bilder von echten Landschaften akkurater, günstiger und schneller zu analysieren, verspricht das Team.

KI soll künftig viele Arten von Bildern erkennen

Bio.KI.S.S. hofft, mit diesem Ansatz künftig nicht nur Biotope besser zu erkennen. Das System soll skalierbar sein und weitere Anwendungen beherrschen. „Wir wollen ein Framework schaffen, das nicht nur für Biotope funktioniert“, sagt Osarek. So ist es denkbar, dass die KI-Bildanalyse eines Tages Straßen und Fahrzeuge, maritime Umgebung und Geologie auf Basis von synthetischen Datensätzen analysiert. „KI kann nicht alle Probleme lösen“, sagt Osarek, „aber bei allen möglichen Problemen hilfreich sein.“

Mehr Informationen zu den Fördermöglichkeiten im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND finden Sie unter www.mfund.de.